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KOMMT ZUSAMMEN UND MACHT EUROPA STARK!

WAHLPROGRAMM FÜR DIE EUROPAWAHL AM 26. MAI 2019

I. Einleitung

Die europäische Idee bleibt der bedeutendste politische und zivilisatorische Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit und politische Partnerschaft über nationale Grenzen hinweg. Einlang anhaltender Frieden auf unserem von Jahrhunderten der Kriege erschütterten Kontinent. Die europäische Idee ist die Antwort auf die großen Aufgaben der Gegenwart und Zukunft.

Der Zusammenhalt Europas ist keine Selbstverständlichkeit. Er ist ein Erfolg der Frauen und Männer, die nach den grausamen Erfahrungen der beiden Weltkriege, der nationalen Überhöhung und dem Schüren von Hass auf andere Länder und Menschen, den Mut und die Kraft gehabt haben, das Trennende zu überwinden und gemeinsam an einem anderen, friedlichen und vereinigten Europa zuarbeiten. Auch die friedliche Revolution, an deren Ende die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten stand, war ein riesiger Schritt der europäischen Integration.

Doch der Zusammenhalt ist gefährdet. Grundpfeiler, die ihn stützen sind brüchig geworden: Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre sind Zweifel am europäischen Wohlstandsversprechen gewachsen. Immer noch überwiegen die wirtschaftlichen Interessen der Konzerne zulasten der sozialen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Zugleich scheint der globale Markt, gerade der Finanzmarkt, die politische Gestaltungsmacht von Staaten auszuhebeln. Und als in den vergangenen Jahren viele Schutzsuchende nach Europa kamen, ist es nicht gelungen, die eigenen Werte der Freiheit, Solidarität, der Humanität und des Schutzes in eine überzeugende gemeinsame Politik zu übersetzen.

Mittlerweile handeln einige Staaten der Europäischen Union immer unverhohlener im eklatanten Widerspruch zu den freiheitlichen und demokratischen Grundprinzipien, die in den europäischen Verträgen verankert sind. Populisten, Rechte und neue Nationalisten stellen sich frontal gegen den europäischen Einigungsgedanken, wollen Europa schwächen und damit das Rad der Geschichte zurückdrehen. Das versuchen auch Feinde des europäischen Zusammenhalts außerhalb Europas für sich zu nutzen.

Wichtiger als je zuvor sind darum heute Klarheit in der Überzeugung, Mut im politischen Handeln und die Bereitschaft, Europas Zusammenhalt und Einheit zu verteidigen und zu stärken. Sprachlosigkeit angesichts der Herausforderungen und die Visionslosigkeit einer reinen Sparpolitik sind keine Antworten auf die Zukunftsfragen Europas.

Wir brauchen Europa, um die großen Zukunftsaufgaben erfolgreich zu bewältigen: Durch gemeinsame europäische Zukunftsinvestitionen in unsere gemeinsamen öffentlichen Güter. Durch Schaffung echter sozialer Grundrechte mit fairen Regeln und starken Rechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Verbraucherschutzrechten, gerade auch in Zeiten der Digitalisierung und des ökologischen Wandels. Durch eine dem Frieden und der Abrüstung verpflichteten europäischen Außenpolitik. Durch eine Nachbarschaftspolitik, die den Staaten und Regionen südlich und östlich der EU faire Angebote zur Zusammenarbeit macht. Durch eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, die Europas Werten der Freiheit und Humanität entspricht. Durch eine Politik, die es schafft, immer noch entfesselte Finanzmärkte zu bändigen. Durch eine Politik, die Steuerflucht bekämpft und alle in die Verantwortung für die Zukunft unserer Gesellschaft nimmt. Und durch eine Politik, die aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen den Klima- und Umweltschutz konsequent verstärkt. Wir verstehen die17 Nachhaltigkeitsziele 2030 der Vereinten Nationen (SDG) als Leitbild unseres euroapolitischen Handelns, weil nur so die aktuellen ökonomischen, ökologischen, sozialen und internationalen Politikbereiche gemeinsam angegangen und gelöst werden können.

Wir wollen Impulse für mehr europäische Solidarität geben und die politische und soziale Integration Europas weiter vorantreiben. Ein starkes Europa liegt im ureigenen Interesse Deutschlands: Umwirtschaftliche Ungleichgewichte und soziale Ungleichheiten in Europa abzubauen. Um mehr Möglichkeiten für gesellschaftlichen Austausch zu schaffen, gerade für junge Menschen. Um die Demokratie und den europäischen Parlamentarismus zu stärken. Wir sind bereit, in den Zusammenhalt Europas zu investieren, weil Investitionen in ein starkes Europa die beste Grundlage für eine gute Zukunft auch in Deutschland sind.

Dafür brauchen wir jetzt Tempomacher, die bei immer mehr Projekten mutig voranschreiten und die anderen Partnerinnen und Partner durch Erfolge überzeugen. In diesem Sinne wollen wir das in den Verträgen angelegte Prinzip der verstärkten Zusammenarbeit konsequenter nutzen und weiterentwickeln. Es geht dabei nicht um die Verfestigung eines Kerneuropas. Denn die Tempomacher sind keine geschlossene Gesellschaft, je nach Projekt können ganz unterschiedliche Gruppen zusammenfinden. Vor allem die Eurozone muss jetzt Tempo machen. Wir wissen, unsere Vision eines starken Europas ist ehrgeizig, wir müssen Widerstände überwinden. Es gibt politische Kräfte, für die Europa nicht die Antwort ist, sondern die ihr Heil in der Rückkehr zu Egoismus und Nationalismus suchen.

Wir laden alle ein, sich diesen Kräften entgegenzustellen und mit uns für ein Europa des Friedens, der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Demokratie zu streiten.

Kommt zusammen! Es geht um viel. Gemeinsam machen wir Europa besser -sozial, demokratisch und frei.

II. Für ein Europa, das zusammenhält

Unser Europa ist in Gefahr. Wir sehen alle die Fliehkräfte und Bedrohungen, denen es ausgesetzt ist: Den Angriffen Russlands auf das Völkerrecht und die Staatensouveränität benachbarter Staaten. Dem Egoismus von „America First“ und dem nicht nur wirtschaftlichen Chauvinismus des US-amerikanischen Präsidenten. Einem China, das uns weismachen will, dass auch ohne Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit der geldwerte Wohlstand erstrebenswert ist. Auch im Inneren zerren der Rechtspopulismus und der Nationalismus an der Einheit der Europäer und Europäerinnen, die sich gemeinsam geschworen haben, nie wieder gegeneinander ins Feld zu ziehen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen: „Nationalismus bedeutet Krieg! [„Le nationalisme, c’est la guerre“, François Mitterand in seiner letzten Rede vor dem Europäischen Parlament am 17. Januar 1995 in Straßburg.] “. Und nur wir können dafür sorgen, dass Europa auch in Zukunft diesen Bedrohungen standhält.

Aber wir gemeinsam können dafür sorgen, dass Europa auch in Zukunft zusammenhält. Gemeinsam können wir den Nationalismus besiegen. Der Zusammenhalt ist der Schlüssel um Zukunftsängste, Unruhen und krisenhafte Entwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten zu begegnen. Er kommt nicht von selbst. Zusammenhalt in Europa setzt Verständigung voraus. Wir dürfen uns nicht ausschließlich von unseren kurzfristigen vermeintlichen nationalen Interessen leiten lassen. Gerade Deutschland muss immer auch den Ausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten und den Zusammenhalt des Ganzen im Auge haben.

Es gilt das alte soziale Versprechen Europas einzulösen, auf das die Bürgerinnen und Bürger schon so lange warten. In den letzten Jahren haben sie häufig das Gegenteil eines sozialen Europas erlebt. Statt eines kalten und neoliberalen Europas, bei dem die Schwachen unter die Räder kommen, wollen wir ein modernes und solidarisches Europa in dem technischer und gesellschaftlicher Fortschritt Hand in Hand gehen, wo wirtschaftliche Dynamik und ökologische Vernunft zusammengehören, wo Bildungs- und Berufschancen für die Jüngeren nicht gegen eine auskömmliche Rente für die Älteren ausgespielt werden, wo es einen Wettbewerb um die besten Innovationen für die Realwirtschaft gibt, nicht einen Wettbewerb um die schädlichsten Steuervermeidungsmodelle, die riskantesten Finanzkonstruktionen oder schlechtesten Arbeitsbedingungen. Es ist ein Irrglaube, dass durch reines Sparen und den Rückzug des Staates breite Teile der Bevölkerung oder gar alle profitieren.

Wir können gemeinsam dafür sorgen, dass alle Unternehmen endlich einen anständigen Beitrag für die Finanzierung des Gemeinwohls leisten. Sie sollen Steuern zahlen, wie es sich gehört. Wenn das kleine Café an der Ecke ein Vielfaches mehr an Steuern zahlt als eine große Starbucks-Filiale, dann stimmt etwas nicht im System. Gleichzeitig fehlen den Mitgliedstaaten zu oft die Mittel für bessere Schulen oder im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, für funktionierende Sozialsysteme oder eine moderne, den Bedürfnissen der Menschen ordentliche öffentliche Infrastruktur. Zukunft kostet Geld. Unsere Zukunft soll durch die Allgemeinheit finanziert werden. Deshalb darf sich niemand durch Tricksereien, Schlupflöcher oder Straftaten seiner Verantwortung entziehen. Wer Milliardenerträge erwirtschaftet, muss endlich auch angemessen besteuert werden und seinen Teil für die Gesellschaft leisten. Das gilt für alle, auch für die digitalen Großkonzerne.

Ein Zusammenwachsen der Völker Europas setzt eine schrittweise Angleichung der Lebensbedingungen voraus – in Deutschland ebenso wie in Finnland oder Griechenland, in Portugal wie in Polen. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger konkret erleben, dass Europa sie schützt und ihnen hilft, ein gutes und sicheres Leben zuführen. Dafür brauchen wir eine europäische Haushaltspolitik, die dem Menschen dient, ein Europa, in dem alle Konzerne endlich ihren fairen Anteil an Steuern zahlen und damit ihren angemessenen Beitrag für das Gemeinwohl leisten.

1. Europas soziales Versprechen einlösen – Vorrang für soziale Grundrechte

Die praktische Geltung der sozialen Grundrechte hat in Europa nicht Schritt gehalten mit der gelungenen wirtschaftlichen Integration. Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, treten wir für eine neue Balance zwischen wirtschaftlichen Freiheiten und sozialen Rechten ein. Erst wenn die sozialen Rechte den Grundfreiheiten der EU gleichstehen, können europäische Gesetze nicht mehr zu Sozialabbau und Einschränkung der Mitbestimmung führen.

Was wir machen:

Die 2017 proklamierte Europäische Säule der sozialen Grundrechte wird mit einer verbindlichen europäischen Sozialagenda umgesetzt und mit Leben erfüllt. Die Rechtsverbindlichkeit der sozialen Rechte muss sichergestellt werden. Im Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 sollen die nötigen finanziellen Mittel vorgesehen werden, um eine europäische Sozialpolitik für die Bürgerinnen und Bürger auch erfahrbar zu machen.

Mindestlöhne gegen Armut und solide Grundsicherung in Europa. Deshalb wollen wir einen Rahmen für armutsfeste Mindestlöhne und adäquate Mindeststandards für nationale Grundsicherungssysteme in allen EU-Staaten durchsetzen. Dies ist das Herzstück der im November 2017 proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR). Kein Vollzeit-Lohn in der Europäischen Union darf unter der nationalen Armutsschwelle liegen. Funktionierende nationale Lohnfindungsmechanismen und nationale Systeme der Mindestlohnsetzung gilt es zu erhalten. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen mittel- bis langfristig das Schutzniveau ihrer Arbeitslosen-, Renten- und Krankenversicherungssysteme angleichen. Die Annäherung an ein hohes Sozialschutzniveau für alle wird die Nachfrage stabilisieren und Europas Volkswirtschaften krisenfester machen. Wir streben eine Rahmenrichtlinie für faire Mindestlöhne in Europa und für Mindeststandards in der sozialen Sicherung an.

Einführung eines europäischen Fonds als Rückversicherung für die Finanzierung von Sozialleistungen. Er wird in guten Zeiten von allen Mitgliedstaaten gefüllt. Während einer Beschäftigungskrise können sie hieraus Mittel beanspruchen, um mit dem Geld ihre Arbeitslosenversicherungen zu unterstützen – damit nicht in der schwierigen Zeit die Leistungen für Arbeitslose gekürzt werden müssen. Nach der Krise führen sie das Geld zurück in den Fonds.

Mit der europäischen „Kindergarantie“ führen wir ein Instrumente in, um Kinderarmut zu beenden. Im Europäischen Parlament konnten wir mit dafür sorgen, dass hierfür zusätzliche Mittel in Höhe von 5,9 Milliarden Euro beschlossen wurden. Hierdurch wollen wir allen Kindern den Zugang zu Bildung, eine gute Gesundheitsversorgung und den Zugang zu guten Nahrungsmitteln zukommen lassen.

Soziales Europa für alle Generationen. Ein soziales Europa muss sich darum kümmern, dass alle Generationen, egal welchen Alters, Mann oder Frau, in Würde leben und alt werden können. Dazu gehören ein Leben ohne Armut, ein bezahlbarer Zugang zu guter Pflege und Gesundheitsvorsorge, bezahlbarer Wohnraum und öffentliche Infrastruktur, Zugang zu lebenslanger guter Bildung. Die Digitalisierung hilft uns unser Leben länger selbstbestimmter führen zu können. Das nützt uns aber nur, wenn auch ein diskriminierungsfreier und bezahlbarer Zugang möglich ist.

Mit einem europäischen Masterplan Inklusion verbessern wir die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Wir wollen ein einheitliches Europäisches Behindertenrecht im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention.

Die öffentliche Daseinsvorsorge sichern und fördern wir. Jeder und jede muss gleichberechtigten, solidarischen und räumlichen nahen Zugang zu qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen haben. Dazu zählen wir insbesondere den Zugang zu Wasser und bezahlbarem Wohnraum. Wir wenden uns dagegen, dass privatwirtschaftliche Konzerne in ganzen Regionen den Zugang zu sauberem Trinkwasser kommerzialisieren. Dazu müssen die EU- Vergaberegeln neu gewichtet werden, durch die auch Tariftreue und die Einhaltung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker berücksichtigt werden. Die Möglichkeit interkommunaler Zusammenarbeit und Inhousevergaben müssen grundsätzlich aus dem Wettbewerb herausgehalten werden. Rekommunalisierungen werden vereinfacht.

Die europäischen sozialen Grundrechte verlangen, dass sozial schwächeren Menschen der Zugang zu Sozialwohnungen oder qualitativer Wohnungsbeihilfe gewährt wird. Hierfür wollen wir die nationalen Akteure zusammenbringen und einen europäischen Austausch organisieren.

2. Konzerne besteuern – Steuerkriminalität und Steuerdumping beenden

Wer Milliardenerträge erwirtschaftet, muss angemessen besteuert werden und seinen fairen Anteil für die solidarische Gesellschaft leisten. Das gilt auch für die digitalen Großkonzerne in Europa. Schluss mit dem Wettlauf um die niedrigsten Unternehmersteuern zwischen den Mitgliedsstaaten. Schluss mit Wettbewerbsverzerrung auf Kosten des Allgemeinwohls.

Was wir machen:

Die unterschiedlichen Körperschaftssteuern werden angeglichen. In Europa soll eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Körperschaftsteuer bei den Unternehmen eingeführt werden. Hierzu haben Deutschland und Frankreich gemeinsam die Initiative ergriffen und einen Vorschlag vorgelegt. Wir wollen diese Regelung gemeinsam mit unseren europäischen Partnern EU-weit einführen.

Mindeststeuersätze werden eingeführt. Wir müssen ein Mindestniveau der Besteuerung vereinbaren und so sicherstellen, dass alle einen fairen Beitrag zur Finanzierung der Staatsaufgaben leisten. Damit ziehen wir eine untere Grenze ein, um den Steuerwettbewerb nach unten zu unterbinden.

Die digitale Wirtschaft wird gerecht besteuert. Es ist ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass sich vor allem die Internetgiganten noch immer einer gerechten Besteuerung weitgehend entziehen. Auch die digitalen Unternehmen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Diese sind weltweit aktiv und verschieben ihre Gewinne häufig in Niedrigsteuerländer. Das wollen wir beenden und bis Ende 2020 eine globale Mindestbesteuerung der digitalen Unternehmen einführen. Gleichzeitig treiben wir eine europäische Lösung voran - für den Fall, dass die internationale Lösung nicht zu erreichen ist. Den gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag für eine Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab dem 1. Januar 2021wollen wir zügig in Europa umsetzen. Dafür streiten wir im nächsten Europäischen Parlament. Die Frage der Steuergerechtigkeit wird ein Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020.

Der Kampf gegen Steuerflucht wird verschärft durch automatische Meldepflichten für Banken, das Einfrieren verdächtiger Guthaben und verbesserte Strafverfolgung gegen Steuerhinterziehung.

Mehr Handlungsfähigkeit in Steuerfragen – lähmendes Einstimmigkeitserfordernis abschaffen. Der Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze muss aufhören. Damit Europa in Steuerfragengerechter wird, soll künftig die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs im europäischen Rat entscheiden. Die Lähmung durch einzelne Mitgliedstaaten die nur ihre Pfründe sichern wollen, muss aufhören. Außerdem muss das Parlament volles Mitspracherecht in Steuerfragen erhalten.

Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Steuerbetrug durch Banken und Beratungsagenturen werden konsequenter verfolgt. Die kriminelle Praxis, sich mit »Cum-Ex« und »Cum-Cum«-Geschäften oder ähnlichen Gestaltungen auf Kosten der ehrlichen Steuerzahler Vorteile zu erschleichen, muss effektiver verfolgt und schärfer bestraft werden. Wir wollen dazu eine Sondereinheit wie in Großbritannien aufbauen, die effektiv gegen Steuerbetrug vorgeht und Steuerhinterziehung konsequent verfolgt. Durch die europäischen Institutionen konsequent sichergestellt werden.

Vermeidung von internationaler Steuergestaltung. Wir sind für die Transparenz in Steuerfragen. Seit Mitte letzten Jahres werden die länderbezogenen Berichte (sog. Country-by-Country Reports) zwischen den Steuerverwaltungen automatisch ausgetauscht. Damit können die Steuerverwaltungen konsequent gegen Gewinnverlagerungen vorgehen und die Firmen dort besteuern, wo der Gewinn erwirtschaftet wird. Hierbei muss die Europäische Kommission einbezogen werden. Wir wollen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Berichte veröffentlicht werden.

Finanztransaktionssteuer einführen. Seit 2010 steht das Thema Finanztransaktionssteuer in Europa auf der Tagesordnung, insbesondere auf Druck unserer sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Es wird daher höchste Zeit, dass bestehende Blockaden überwunden werden und wir diese Gerechtigkeitssteuer endlich durchsetzen. Wir haben zusammen mit Frankreich einen neuen Anlauf unternommen. Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer nach dem Vorbild der französischen Finanztransaktionssteuer in der EU einführen. Mit der Besteuerung von Transaktionen auf im Inland emittierte Aktien machen wir den ersten Schritt. Die Einnahmen dieser Steuer sollen der EU zufließen. Dies ist jedoch nur der erste Schritt. Unser Ziel bleibt eine umfassende Finanztransaktionssteuer. Diese soll alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen umfassen.

3. Gleichwertigere Lebensverhältnisse und menschlichere Haushaltspolitik

Jeder Mitgliedsstaat und jede Region sollen nach Kräften dafür sorgen, dass es den Bürgerinnen und Bürger gut geht. Gleichzeitig unterstützen sich die Mitgliedsstaaten untereinander durch mehr Solidarität für gleichwertigere Lebensbedingungen in ganz Europa und seinen Regionen. Das Kaputtsparen vor allem zu Lasten des sozialen Zusammenhalts werden wir beenden. Zukunftsinvestitionen und die Konsolidierung von öffentlichen Haushalten dürfen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden.

Was wir machen:

Die finanziellen Mittel für die Angleichung der Lebensbedingungen werden gesichert u.a. durch die neu zu schaffenden Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer. Gleichzeitig wird die Effektivität der Kohäsionspolitik erhöht.

Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushaltbereit, um gemeinsam mit unseren europäischen Partnern nachdem Brexit die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union zusichern und den Ausbau der Europäischen Öffentlichen Güter zu befördern, was wiederum die nationalen Haushalte perspektivisch entlastet.

Ein gemeinsames Budget der Euro-Länder soll für mehr Investitionen sorgen, die erforderlichen Produktivitätssteigerungen und Anpassungen der Wettbewerbsfähigkeit befördern und die Stabilität der Eurozone sichern. Aus einem solchen parlamentarisch kontrollierten Eurozonenhaushalt sollen die Mittel auch und gerade in Schwächephasen zur Stabilisierung zur Verfügung stehen.

Die Interessen der Städte und Kommunen werden besser berücksichtigt. Das betrifft vor allem den Schutz der Daseinsvorsorge, den Erhalt von starken und handlungsfähigen Kreditgebern für die Wirtschaft vor Ort sowie die Berücksichtigung kommunaler Interessen bei der Gestaltung der künftigen Kohäsionspolitik.

Den ländlichen Raum deutlicher stärken. Die technische und soziale Infrastruktur muss in Europa auch im ländlichen Raumweiter ausgebaut werden, um ihn insbesondere für junge Menschen und Familien attraktiv zu halten. Für gleichwertige Lebensverhältnisse, gerade auch in Ostdeutschland ist die EU-Regionalpolitik weiterhin von großer Bedeutung. In der nächsten Förderperiode bedarf es daher einer entsprechenden Mittelausstattung. Doppelstrukturen in den europäischen Strukturfonds werden wir hierzu abbauen, um den ländlichen Raum zielgerichteter, effizienter und unbürokratischer zu stärken. Die Regionalförderung und Beteiligungen sollte zudem ein wichtiger Bestandteil einer neu zu konzipierenden EU-Industriepolitiksein. Als Faktor der Standortsicherung sollte sie mit einer Weiterentwicklung von qualifizierter Mitbestimmung auf EU-Ebene verbunden werden.

Den Euro stark halten und Mitgliedsstaaten früher und entschlossener helfen, wenn sie in eine Krise zu rutschen drohen. Dafür werden wir den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds (EWF) weiterentwickeln, damit er künftig früher helfen kann und nicht erst, wenn die Krise da ist, mit hohen politischen, ökonomischen und sozialen Kosten. Niemand weiß, wann die nächste Wirtschaftskrise Europa oder die Welt erschüttert. Deshalb müssen wir uns vorbereiten.

Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen nirgendwo in Europa mehr für Bankenpleiten bezahlen. Eine Bankenkrise darf nicht wieder zu einer Staatsschuldenkrise werden. Hierfür werden wir die fatale Kopplung zwischen Staaten und Banken weiter auflösen. Dazu werden wir die Bankenunion weiter vertiefen und u.a. eine gemeinsame Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds schaffen.

III. Einen Kontinent der guten Arbeit schaffen

Europa ist wirtschaftlich erfolgreich. Das ist vor allem dem Fleiß und den Fähigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verdanken. Sie sind es, die den Erfolg tagtäglich mit ihrer Arbeit hervorbringen. Gemeinsam können wir es schaffen, dass jede und jeder in Europa sicher sein kann, dass wer arbeitet, von seinem Lohn auch gut leben kann. Wir wollen, dass es funktionierende Sozialsysteme gibt, die bei Jobverlust und Krankheit Sicherheit garantieren. Dafür müssen wir viel tun. Innerhalb Europas herrschen weiterhin gravierende Unterschiede bei der sozialen Absicherung der Beschäftigung. Auch hat sich die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung in den letzten Jahren weiter verschärft. Vor allem die Beschäftigten mit niedrigeren Einkommen bekommen europaweit viel zu oft unter dem Strich weniger Lohn als noch vor 20 Jahren. Viel zu oft werden Kolleginnen und Kollegen in Europa gegeneinander ausgespielt, etwa durch systematische Tarif- und Mitbestimmungsflucht, durch Missbrauch des Subunternehmertums oder Scheinselbstständigkeit. Das muss schnell korrigiert werden.

Arbeit muss angemessen entlohnt und der gemeinsam erarbeitete Wohlstand gerecht verteilt werden. Wir wollen, dass soziale Sicherungssysteme EU-weit gestärkt und Löhne angehoben werden. Dafür muss die Tarifbindung ausgebaut und wieder zum Normalfall werden. Davon kann auch die Volkswirtschaft profitieren: Unternehmen mit hoher Tarifbindung sind im Durchschnitt erfolgreicher, produktiver und haben eine stabilere Beschäftigungslage.

Die Digitalisierung ist dabei, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern. Sie ist dann eine enorme Chance für gute Arbeit, wenn sie gemeinsam mit den Beschäftigten gestaltet und die Dividende gerecht verteilt wird. Bestehende Berufsqualifikationen dürfen nicht entwertet, sondern müssen durch ein Recht auf Weiterbildung und Qualifizierung für die Zukunft genutzt werden. Vor allem dürfen durch den technologischen Fortschritt keine Rückschritte bei den Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen entstehen. Wir wollen keine digitalen Tagelöhnerinnen und Tagelöhner, die nur auf Abruf arbeiten können. Wir haben den Achtstundentag 1918 eingeführt. Zum Schutz der Beschäftigten werden wir ihn heute verteidigen. Die Entgrenzung der Arbeit und eine fortwährende Erreichbarkeit der Beschäftigten lehnen wir ab. Stattdessen setzten wir uns für eine klar geregelte Flexibilität dort ein, wo sie den Beschäftigten und dem Unternehmen zu Gute kommt und die Chancen der Digitalisierung für Familienfreundlichkeit nutzt. Wir wollen die Möglichkeiten der Digitalisierung für einen inklusiven Arbeitsmarkt stärker nutzen.

1. Gute Löhne in Europa durchsetzen

Niemand in Europa darf arm sein. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen von ihrem Lohn gut leben können. Es muss Schluss damit sein, dass auf dem Rücken der Beschäftigten Lohn- und Sozialdumping betrieben wird. Gerade Frauen müssen endlich gerecht bezahlt werden. Um das zu erreichen brauchen wir klare Regeln für alle, starke Betriebsräte und Gewerkschaften.

Was wir machen:

Mindestlohn von 12 Euro in Deutschland und länderspezifischer Mindestlöhne in allen Mitgliedsstaaten. Der Mindestlohn in Deutschland ist immer noch zu niedrig. Er soll steigen, um die Beschäftigten besser an den Produktivitätszuwächsen der letzten Jahre zu beteiligen und besser gegen Altersarmut zu schützen. In allen Mitgliedsstaaten Europas sollen zudem Mindestlöhne geschaffen werden, die mindestens 60 Prozent des nationalen Medianlohns betragen und so besser vor Armut schützen.

Ein europäischer Standard für die Mindestvergütung soll die Situation von Solo-Selbstständigen verbessern. Auch durch eine Mindestausbildungsvergütung und eine Möglichkeit gemeinsamer Absprachen gegen Unterbietungskonkurrenz soll das Machtgefälle zwischen Auftraggebern und -nehmern zugute Letzterer verschoben werden.

Überall in Europa muss Frauen und Männern der gleiche Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gezahlt werden. Die Sozialdemokratie hat dafür gesorgt, dass dieser Grundsatz eingeführt wurde. Jetzt muss es darum gehen, diesen Grundsatz voll zu verwirklichen und ihn auch explizit auf das Transportgewerbe anzuwenden.

Stärken der Sozial- und Arbeitsschutzstandards in den EU-Mitgliedsstaaten. Der Schutz der Beschäftigten soll durch die Festlegung allgemeingültiger Regeln für angemessene Arbeitsbedingungen sowie Gesundheit und Sicherheit verbindlich weiterentwickelt und an neue Risiken angepasst werden. Dabei stellen wir sicher, dass das erreichte Niveau in Deutschland nicht gesenkt wird.

Verstöße gegen das Arbeitsrecht genauso hart ahnden wie Wettbewerbsverstöße. Die bestehende Unwucht muss beendet werden. Sanktionen bei Regelverstößen sollen abschreckend sein: Unternehmen, die systematisch das Arbeits- und Arbeitsschutzrecht brechen, sollen künftig von Subventionszahlungen ausgenommen werden.

Die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) wird zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping gestärkt. Zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping führen wir eine europäische Sozialversicherungsnummer samt elektronischem Sozialversicherungsregisters ein. Die Behörden vor Ort bekommen endlich ein zusätzliches Instrument, um grenzüberschreitenden Sozialversicherungsmissbrauch und -betrug wirksam zu bekämpfen.

2. Mitbestimmung stärken, Wohlstand sichern

Wir brauchen ein faires Europa, das schützt. Das betrifft auch die Sicherheit am Arbeitsplatz und Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Einbeziehung der Gewerkschaften in Verhandlungen europäischer Gesetze müssen verbessert werden. Nur mit einer starken Stimme der Beschäftigten können wir die Unternehmen demokratischer machen vor allem, wenn sie innerhalb Europas ihre Firmensitze verlegen oder verschmelzen wollen.

Was wir machen:

Maßnahmen gegen Mitbestimmungsflucht von Unternehmen: Für alle Unternehmen europäischen Rechts werden Mindeststandards zur Unternehmensmitbestimmung geschaffen. Das gilt besonders für die Europäische Aktiengesellschaft. Das gleiche gilt für die grenzüberschreitende Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung von Unternehmen mit unterschiedlichen nationalen Rechtsformen.

Die Tarifbindung wird dadurch gestärkt, dass Tariftreue künftig besonders positiv im Ausschreibungs- und Vergabeverfahren vorausgesetzt wird. Unternehmen, die als Sozialpartner anständig bezahlen, sollen nicht das Nachsehen haben gegenüber denjenigen, die auf Kosten der Beschäftigten Lohndumping betreiben. Dazu gehört auch eine bessere Absicherung der Beschäftigten bei Betreiber wechseln durch verbindliche Vorschriften zum Personalübergang und dem sicheren Fortbestehen von Arbeits- und Sozialbedingungen.

Mehr Beratungs- und Informationsangebote für grenzüberschreitend tätige Beschäftigte. Starke Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann nur geltend machen, wer sie auch kennt. Daher wollen wir Beratungs- und Informationsangebote für all jene fördern, die in Europa von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen.

Die Rechte der Europäischen Betriebsräte werden gestärkt. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollen mitbestimmungspflichtige Maßnahmen solange nicht durchführen dürfen, bis die vorgeschriebene Beteiligung der Interessenvertretung erfolgt ist.

Die Gründung von europaweiten Jugend- und Auszubildendenvertretungen werden vorangebracht. In grenzüberschreitend tätigen Unternehmen sollen Beschäftigte unter 18 Jahren und Azubis besser ihre Recht auf Information und Anhörung durch die Unternehmensleitung wahrnehmen können.

Der soziale Dialog soll gestärkt und die Sozialpartner besser in die europäischen Gesetzgebungsprozesse eingebunden werden. Vereinbarungen der Sozialpartner sollen von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

3. Arbeitnehmerfreundliche Gestaltung der Digitalisierung der Arbeit

Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt grundlegend. Sie ist eine enorme Chance für bessere Arbeit, wenn sie gemeinsam mit den Beschäftigten gestaltet wird. Wir wollen, dass die „Digitalisierungsdividende“ allen zu Gute kommt. Das ist für uns eine zentrale Verteilungsfrage. Es darf nicht sein, dass nur wenige profitieren, während für die Mehrheit der Druck auf dem Arbeitsmarkt steigt. Bestehende Berufsqualifikationen dürfen nicht entwertet, sondern müssen durch Weiterbildung und Qualifizierung für die Zukunft genutzt werden. Vor allem dürfen durch den technologischen Fortschritt keine Rückschritte beiden Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entstehen. Wir wollen keine digitalen Tagelöhnerinnen und Tagelöhner, die nur auf Abruf arbeiten können. Die Entgrenzung der Arbeit und eine fortwährende Erreichbarkeit der Beschäftigten lehnen wir ab. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung muss lebenslanges Lernen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einer problemlos verfügbaren Selbstverständlichkeit des beruflichen Lebenswegs werden.

Was wir machen:

Einen stärkeren Beschäftigtenschutz, der dem Trend zum gläsernen und jederzeit abrufbaren Angestellten einen Riegel vorschiebt. Propagierte Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung der neuen Arbeitsmodelle dürfen kein Synonym für immer umfassendere Kontrollmaßnahmen und Leistungsanalysen werden, die durch zunehmende Digitalisierung gefördert werden.

Den Beschäftigtendatenschutz wollen wir im Lichte neuer Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz, digital vernetzter Industrieproduktion und plattformgetriebener Dienstleistungsarbeit europaweit modernisieren.

Einen neuen Flexibilitätskompromiss, der die Bedürfnisse von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgleicht und die gefundenen Lösungen sozial absichert. Arbeitszeit darf uns in Zeiten digitaler Vernetzung und ständiger Erreichbarkeit nicht entgleisen und braucht eine klare Regulierung. Jeder und jedem muss das Recht auf Nichterreichbarkeit und das Recht auf Freizeit zustehen. Der Achtstundentag steht dabei für uns nicht zur Disposition.

Eine EU-Richtlinie zum Schutz von Beschäftigten auf Online-Plattformen, um faire Lohn- und Arbeitsbedingungen in der digitalen Arbeitswelt sicherzustellen. Wir dulden keine schwarzen Schafe im Europäischen Binnenmarkt, die für den Profit Mindeststandards unterlaufen, die andere einhalten. Wir setzen gleiche arbeits- und sozialrechtliche Regeln für alle durch – egal ob online oder offline!

IV. Freiheit schützen und auf die Jugend bauen

Gemeinsam müssen wir verhindern, dass die Demokratie zu einer Diktatur der Mehrheit wird. Wenn mit rechtspopulistischen parlamentarischen Mehrheiten der Kernbestand demokratischer Grundprinzipien geschleift wird, muss die Europäische Union die Rechtsstaatlichkeit schützen. Unsere Gesellschaft wird mit mehr Optimismus in die Zukunft blicken, wenn unsere Jugend bessere Aussichten für ihre Zukunft hat und ältere Menschen keine Unsicherheit befürchten müssen. Die Meinungs und Pressefreiheit, die Gleichstellung der Geschlechter, das Versammlungsrecht, die Unabhängigkeit der Justiz, die Freiheit und Gleichheit der Wahl, Rechte Andersdenkender, der Schutz einer pluralen Zivilgesellschaft. Es wird Zeit, dass Europa wehrhafter wird und nicht zaudert und zusieht, wie die Demokratie ihren Feinden auch noch die Mittel liefert, sie letztendlich abzuschaffen.

Für Junge Menschen ist Europa kein fernes Projekt mehr, sondern eine Realität und ein Lebensgefühl: Eine gemeinsame Währung, freies Reisen, Lernen, Studieren und Arbeiten, Freundschaften schließen über alle Grenzen hinweg. Zu tausenden organisieren sie sich für ein starkes, demokratisches und solidarisches Europa. Die Europäische Union muss diesen Einsatz unterstützen und junge Menschen einbinden. Gemeinsam mit ihnen und für sie müssen wir alle zusammenstehen und die Demokratie in Europa verteidigen. Junge Europäerinnen und Europäer müssen ein Mitspracherecht haben und befähigt werden, ihre Zukunft zu gestalten und aktive Bürgerinnen und Bürger zu werden. Auch morgen sollen unsere Kinder in der Europäischen Union in der Gewissheit aufwachsen, in einer freien, gerechten und solidarischen Welt zu leben, in der sie selbstverständlich ihren ganz persönlichen Weg gehen können.

Zur Realität junger Europäerinnen und Europäer gehört auch: Nie war eine Generation besser ausgebildet als heute. Noch nie waren die Grundvoraussetzungen so gut, auf ein gutes, selbstbestimmtes Leben. Jedes Kind muss Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsfürsorge, Kinderbetreuung, Bildung, Wohnung und Ernährung haben. Und doch ist Jugendarbeitslosigkeit heute in vielen Mitgliedsstaaten weiterhin viel zu hoch. In Teilen Südeuropas ist das Ausmaß so verheerend, dass die Zukunftschance einer ganzen Generation bedroht sind. Das Prinzip der Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten ist richtig. Aber wenn dies Prinzip so ausgelegt wird, dass Millionen von jungen Menschen ihrer Perspektiven beraubt werden aufgrund einer globalen Finanzkrise und Misswirtschaft der Vorgängergeneration mutiert das sinnvolle Prinzip der Eigenverantwortung zu einer unerträglichen Belastung für eine ganze Generation, die dem europäischen Geist ganz fundamental widerspricht. Deshalb muss Europa eine Antwort geben gegen die Perspektivlosigkeit. Wenn für Banken in kurzer Zeit milliardenschwere Hilfsprogramme aufgelegt werden konnten, dann muss das auch für die Jugend Europas möglich sein.

Wir wollen eine europäische Identität fördern, die bei den Europäerinnen und Europäern stärker neben die Verbundenheit mit ihren Mitgliedstaaten und Regionen treten soll. Dafür ist die gemeinsame Kultur ein wichtiger Motor. Wir wollen auch über Kultur, Bildung und den Austausch zwischen unseren Gesellschaften erreichen, dass die Bedeutung dieses einmaligen Projekts Europa für jeden Einzelnen und jede Einzelne deutlich spürbar, erlebbar und gestaltbar wird. Wir wollen ein Europa, das für die Bürgerinnen und Bürger da ist, das Freiraum, Kreativität und Ideen für alle ermöglicht. Deshalb können wir es nicht zulassen, dass in Europa Regierungen den Einfluss und Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Initiativen, von Künstlerinnen und Künstlern systematisch einschränken. Demokratie kann ohne eine plurale, kreative und kritische Zivilgesellschaft nicht funktionieren.

1. Demokratie verteidigen und sichern

Die demokratischen Grundrechte gelten in ganz Europa. Kaum sonst auf der Welt werden sie in einem vergleichbaren Ausmaß geschützt. Aber sie stehen zusehends unter Druck. Wir wollen sie verteidigen und für die Zukunft sichern.

Was wir machen:

Weniger Geld für Mitgliedsstaaten, die demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien missachten. Europa muss seine Grundwerte wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besser schützen. Bestehende Verfahren gegen zuwider handelnde Mitgliedsstaaten funktionieren nur unzureichend. Deshalb unterstützen wir das Vorhaben der Europäischen Kommission für einen Mechanismus, der Mitgliedsstaaten bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Standards die Zuwendungen aus dem EU-Haushalt spürbar kürzt. Dabei ist klar: Es werden die nationalen Regierungen sanktioniert und nicht die Empfängerinnen und Empfänger von EU-Geldern.

Fonds für europäische Grundwerte. Wir brauchen auch Instrumente, mit denen wir unsere Wertegemeinschaft präventiv stärken können. Deshalb wollen wir im EU-Haushalt einen „Fonds für europäische Grundwerte“ einrichten. Damit könnten Nichtregierungs- und zivilgesellschaftliche Organisationen überall dort direkt unterstützt werden, wo Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besonders unter Druck stehen.

Grundwerte-Überprüfung aller Mitgliedsstaaten und gezielte Förderung der Zivilgesellschaft. Wir wollen, dass alle Mitgliedsstaaten einer regelmäßigen Prüfung der Lage der Rechtsstaatlichkeit unterzogen werden. In Mitgliedsstaaten, in denen festgestellt wird, dass demokratische Grundwerte nicht ausreichend geschützt und gefördert werden, sollen zivilgesellschaftliche Organisationen gezielt direkt unterstützt werden, die sich dem demokratischen Dialog verschrieben haben.

Jugendsolidarität in Europa. Wir wollen das Europäische Solidaritätskorps als Nachfolgeprogramm des Europäischen Freiwilligendienstes stärken und mehr jungen Menschen die Teilnahme an dem Programm ermöglichen.

Offene Grenzen reichen nicht aus. Die Bewegungsfreiheit junger Menschen muss konsequent, gezielt und sozial gerecht unterstützt werden. Für einen besseren Austausch zwischen jungen Menschen müssen das Bildungs- und Jugendförderprogramm Erasmus+ und der Europäische Solidaritätskorps (früher europäischer Freiwilligendienst) bedarfsgerecht ausgestattet sein und strukturell ausgebaut werden.

Europäischer Freiwilligendienst für Seniorinnen und Senioren. Mit einem neuen Programm „Europaweit 60plus“ können sich Menschen im besten Alter in Europa engagieren, Sprachkenntnisse verfestigen und ihren reichen Expertisen- und Erfahrungsschatz einbringen. Davon können alle profitieren.

Um unsere Freiheit und unsere Demokratie zu sichern, ist eine engere Kooperation der Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene dringend notwendig. Die Innen- und Sicherheitspolitik müssen wir noch stärker europäisch denken. Ob Terrorismus, Cybercrime oder Einbrüche – die Kriminalität endet nicht an den nationalen Grenzen. Um die Menschen besser schützen zu können, müssen wir daher Strukturen und den gemeinsamen Austausch verbessern. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr nationale Kompetenzen auf das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung (ECTC) übertragen werden. Außerdem brauchen wir eine europäische Strategie für Cyber-Sicherheit, die die Fragmentierung in diesem Bereich verringert und Sicherheitsstandards verbessert. Für den Fall dass nicht alle Mitgliedstaaten sich hieran beteiligen können oder wollen, werden wir die Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit nutzen.

Keine Grenzkontrollen innerhalb der EU. Die Grenzkontrollen innerhalb der EU sollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raumes schnellstmöglich eingestellt werden. Damit einhergehen muss ein verlässlicher Schutz der Außengrenzen der EU, der das Gebot der Nicht-Zurückweisung für Schutzsuchende gewährleistet.

Mehr Begegnungen schaffen durch Förderung von Städtepartnerschaften. Die völkerverständigende Kraft von kommunaler Partnerschaftsarbeit ist historisch. Wir wollen sie finanziell besser unterstützen, damit nicht nur reiche Kommunen es sich leisten können ihre Partnerschaften zu pflegen.

Minderheiten schützen. Wir setzen uns gemäß Art. 21 und Art. 22 der Charta der Grundrechte der EU für den Schutz der nationalen Minderheiten in Deutschland und Europa ein und unterstützen Maßnahmen zum Erhalt ihres kulturellen Erbes. Der Ausschuss der Regionen dient dabei als ein wichtiges Sprachrohr regionaler und lokaler Gebietskörperschaften in der EU und beider Bewertung der Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU.

Die öffentlich-rechtlichen Medien stärken. Sie sind der Garant für freie Meinungsbildung und -vielfalt. Sie gewährleisten Unabhängigkeit und den Schutz von Minderheiteninteressen. Regierungen dürfen keinen Einfluss auf die Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien oder Druck auf Journalistinnen und Journalisten ausüben. Wir wollen öffentlich-rechtliche Medien stärken, Medienkonzentration und –monopole verhindern und unabhängige Berichterstattung als unverzichtbares demokratisches Elementgewährleisten.

2. Perspektiven schaffen, Austausch fördern und Jugendarbeitslosigkeit beenden

Wir wollen jungen Menschen ein wichtiges Signal geben, um das Vertrauen in ihr Europa zu stärken. Dafür starten wir einen Europäischen Jugendplan: Es geht um die Jugendgarantie für berufliche Zukunftschancen. Dabei steht die Bekämpfung der viel zu hohen Jugendarbeitslosigkeit im Zentrum unserer Bemühungen. Es geht darum den Austausch mit anderen jungen Europäerinnen und Europäern zu fördern – für alle, nicht nur für Studierende. Schließlich geht es uns darum, der Jugend Europas den freien Zugang zu einer gemeinsamen Kultur zu ermöglichen. Auch für ältere Bürgerinnen und Bürger schaffen wir ein Angebot, denn Europa soll für alle Generationen erlebbar sein.

Was wir machen:

Ein Sofortprogramm, das jeder und jedem unter 25 Jahren einen Ausbildungsplatz garantiert und damit eine berufliche Perspektive eröffnet. Hierfür werden wir die Mittel für die Jugendgarantie deutlich aufstocken. Nur so kann das europäische Versprechen gehalten werden, allen jungen Menschen unter 25 Jahren in vier Monaten konkrete Angebote für eine sichere berufliche Zukunft zu machen, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit sollen bis zum 30. Lebensjahr ermöglicht werden. Wir wollen, dass noch mehr junge Menschen in den Berechtigtenkreis von Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit kommen.

Einführung eines europäischen Korridors für eine Mindestausbildungsvergütung. Bezugspunkt sind vor allem die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Mitgliedsstaaten.

Die duale Ausbildung auch in Europa stärken. Dafür ist eine Verständigung über Mindeststandards für eine moderne Berufsausbildung notwendig. Diese beinhalten u.a. die Ausbildungsdauer für das Erlernen eines Berufes, die Art und Weise der Kooperation unterschiedlicher Lernorte wie Betrieb und Berufsschule und einen abgesicherten rechtlichen Status der Auszubildenden.

Bildungsabschlüsse europaweit besser anerkennen. Junge Europäerinnen und Europäer sollen in der ganzen Europäischen Union ihren Weg gehen können. Wir wollen, dass Bildungsabschlüsse und weitere nachweisbare Qualifikationen in allen Mitgliedsstaaten selbstverständlich und unbürokratisch gegenseitig formal anerkannt werden. Trotz aller Verbesserungen bestehen immer noch Schwierigkeiten, die Unsicherheit und ungerechtfertigte Mobilitätshindernisse bedeuten. Deshalb ist unser Ziel ist eine standardmäßige automatische Anerkennung von Qualifikationen.

Ein einheitlicher europäischer Studienausweis. Für Studierende, die in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten studieren wollen, beseitigen wir damit bürokratische Hindernisse und ersparen ihnen aufreibende Behördengänge. Zudem wollen wir ein starkes Gemeinschaftsgefühl der Studierenden in Europa fördern.

Erasmus für alle! Wir wollen, dass mehr junge Menschen die Möglichkeit bekommen, durch Austauschprogrammen den Alltag in einem anderen europäischen Land kennen zu lernen. Alle jungen Europäerinnen und Europäer sollen eine Fördermöglichkeit bekommen. Dafür wollen wir die Finanzmittel des erfolgreichen Programms Erasmus+ in der nächsten Förderperiode verdreifachen und das Programm stärker bewerben und es vor allem auch für Azubis, Menschen in Ausbildung und sozial benachteiligte junge Menschen öffnen. Zugleich werden die Möglichkeiten zum Schulaustausch und zum Austausch zwischen Jugendverbänden stärker unterstützt. Dabei soll Jugendlichen mit Behinderung der Zugang zu diesem Programm sowie dem Europäischen Solidaritätskorps besser ermöglicht werden.

Wir wollen die Bologna-Konferenz zu einer Europäischen Hochschulkonferenz weiterentwickeln. Diese soll konkrete Maßnahmen vereinbaren, um im Europäischen Hochschulraum die Wissenschaftsfreiheit zu sichern, Bildungsteilhabe zu verwirklichen sowie mehr Mobilität, Austausch und Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Hierzu gehört in besonderem Maße der Einsatz für die Abschaffung von Studiengebühren im europäischen Hochschulraum.

Einführung eines „Jugend-Check“ auf europäischer Ebene. Wir wollen ein Prüf- und Sensibilisierungsinstrument, dass die Auswirkungen geplanter Gesetzesvorhaben auf junge Menschensichtbar macht. Bei allen Gestaltungsprozessen unserer Gesellschaft sind die Belange junger Menschen künftig obligatorisch zu berücksichtigen und mitzudenken.

Europäische Hochschulen schaffen. Hochschulen sind bereits heute Begegnungsorte vieler Europäerinnen und Europäer. Wir wollen Hochschulen in ihrer internationalen Ausrichtung auch durch finanzielle Förderung in der Breite für grenzüberschreitende Lehre und Forschung stärker unterstützen.

Verbesserung der Mitbestimmung junger Menschen auf europäischer Ebene. Europäische Politik darf nicht nur über oder für junge Menschen gemacht werden, sondern muss mit ihnen gemacht werden. Deswegen bauen wir die Partizipationsmöglichkeiten junger Menschen im Rahmen des „Strukturierten Dialoges“ und darüber hinaus aus.

3. Eine europäische Identität durch Kultur fördern

Europa ist für uns eine kulturelle Vielfalt. Die Kultur- und Medienförderung der Europäischen Union ergänzt die Kultur- und Medienpolitik der Mitgliedsstaaten. Sie fördert ihre kulturelle Vielfalt und vermittelt zugleich den Wert einer europäischen Identität. Wir wollen die europäische Kulturpolitik insbesondere dahingehend weiter stärken, dass sie die kulturelle Vielfalt für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger erlebbar und erfahrbar macht.

Was wir machen:

Ein „Europäischer Kulturscheck“ für Jugendliche: Wir wollen, dass junge Menschen kritisch Denken, ihre eigenen Ideen entwickeln. Der Zugang zu Kultur hilft, um unabhängig und kreativ denken zu können. Deshalb wollen wir vor allem für sozial benachteiligte Jugendliche mit einem Gutschein-System den Zugang zu Kultureinrichtungen erleichtern.

Mit der Fortsetzung des erfolgreichen Programms „Kreatives Europa“ bis 2027 möchten wir die grenzüberschreitende europäische Kultur weiter fördern. Wir setzen uns daher für die Verdopplung der Projektmittel ein. Nicht zuletzt wollen wir den Kulturanteil im EU-Haushalt insgesamt deutlich steigern.

Soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern in ganz Europa: Nach dem Vorbild der deutschen Künstlersozialkasse sollen Mindeststandards für ein Unterstützungssystem vereinbart werden, um Armut und prekäre Lebensverhältnisse im Alter für Künstlerinnen und Künstler zu verhindern.

Die Buchpreisbindung schützen, sie ist nicht verhandelbar. Sie ist in vielen Mitgliedstaaten die Gewähr für ein vielfältiges Literaturprogramm, das nicht nur auf Bestseller verkürzt wird. Sie sichert qualitativen Wettbewerb zwischen kleinen Buchläden auch auf dem Land mit monopolistischen Verkaufsplattformen im Internet.

Schutz und Erhalt der kulturellen Identität, des kulturellen Erbes und eine aktive Geschichtspolitik. Hierzu starten wir eine europäische Strategie auch mit Blick auf die Brüche in der Geschichte Europas und zur Aufarbeitung europäischer Kolonialgeschichte, um sie zu vermitteln und für die Zukunft daraus zu lernen.

Das Goethe-Institut soll sich strukturell gegenüber europäischen Partnern und der Zivilgesellschaft weiter öffnen und neue Knotenpunkte gemeinsam mit Institutionen der Gastländer aufbauen. Auch mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 setzen wir auf den Beitrag von Kultur und Bildung.

V. Weiter Vorwärts mit der Gleichstellung

Mädchen und Frauen müssen selbst über ihren Lebensweg können – frei von Gewalt, Sexismus und Diskriminierung. Lange Zeit hat Europa das Tempo vorgegeben für die Gleichstellung von Frauen. Heute formieren sich in vielen Mitgliedsstaaten konservative und rechtspopulistische Kräfte gegen eine fortschrittliche Gleichstellungspolitik und Frauenrechte. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass es keine Rolle rückwärts gibt und es mit der Gleichstellungspolitik weiter vorwärts geht. Hierfür muss Gleichstellung wieder eine strategische Priorität in Europa werden. Daher fordern wir eine Fortsetzung der 2015 ausgelaufenen Gleichstellungsstrategie. Dazu gehören nicht nur spezifische Ziele, Maßnahmen und Sanktionen, sondern auch die konsequente Anwendung von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in allen Bereichen. Wir streben die Aufwertung des derzeit nur beratenden Gleichstellungsausschusses im Europäischen Parlament an. Durch etablierte und formelle Strukturen kann die Gleichstellungspolitik europaweit ins Zentrum geholt werden. Wir werden die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 dazu nutzen, die EU-Gleichstellungspolitik deutlich voranzubringen. Denn unser Ziel bleibt eine aktive Gleichstellungspolitik, die Wahrung der Frauenrechte und die Beseitigung struktureller Diskriminierung. Jede Frau hat ein Anrecht auf gesundheitliche Vorsorge, medizinische Information und sexuelle Aufklärung, auf Zugang zu Verhütung und auf eine gute, zeitgemäße medizinische Versorgung rund um Schwangerschaft und Geburt. Keine Frau darf gezwungen werden, gegen ihren Willen ein Kind auszutragen. Die Gleichstellung gehört zu den Grundwerten der Europäischen Union und zum Grundpfeiler der europäischen Identität.

Das gleiche gilt für die Rechte und die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Intersexuellen und queeren Personen. Auch hier sind gesellschaftliche Errungenschaften des Respekts, der Anerkennung und der Gleichstellung in Gefahr. Für uns sind die Freiheit der sexuellen Orientierung, die geschlechtliche Selbstbestimmung und der Schutz vor Diskriminierung universelle Menschenrechte, die überall in Europa nicht nur auf dem Papier, sondern in der politischen und gesellschaftlichen Praxis gewahrt sein müssen. Niemand darf vorschreiben, wie ein Mensch zu sein und auszusehen hat oder mit wem jemand in Partnerschaft zusammenleben will.

1. Lohnlücke und Rentenlücke schließen

Frauen müssen endlich den gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit wie ihre männlichen Kollegen bekommen. Sie haben ein Recht auf die gleiche soziale Sicherheit. Auch muss die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf im 21. Jahrhundert in Europa eine Selbstverständlichkeit sein. Doch Frauen verdienen derzeit europaweit im Durchschnitt 16% weniger als Männer. Auch die Altersarmut ist weiblich: Frauen bekommen in Europa 37% weniger Rente als Männer. Diese Lücken zwischen Frauen und Männern müssen geschlossen werden. Eine faire und partnerschaftliche Aufteilung zwischen Männern und Frauen von Betreuungs-, Pflege- und Erwerbsarbeit muss selbstverständlich sein.

Was wir machen:

Das Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche und gleichwertige Arbeit muss auch zwischen den Geschlechtern gelten.

Schließen der Lohn- und Rentenlücke durch Vereinbarung verbindlicher Ziele und ein EU-weites Lohngerechtigkeitsgesetz, das die Einhaltung überwacht und Verstöße sanktioniert.

Konsequente Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unser Ziel bleibt der echte Mentalitätswechsel, damit auch Pflege-, Haus-, und Betreuungsarbeit künftig partnerschaftlich und gerechter aufgeteilt werden. Dies wird auch dazu beitragen, die bestehende Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen, damit Frauen und Männer zu gleichen Teilen am Erwerbsleben teilhaben und in allen Bereichen vertreten sind.

Männern und Frauen muss es möglich sein, flexible Arbeitszeiten zu beantragen, um auf Änderungen in ihrer Lebenssituation zu reagieren.

2. Mehr Frauen in Führungspositionen

Frauen sind heute im Durchschnitt besser qualifiziert als Männer. Doch immer noch wird viel zu oft verhindert, dass sie Führungs- und Leitungsverantwortung übernehmen können. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie nicht in gleichem Umfang wie ihre männlichen Kollegen in Leitungsfunktionen arbeiten. Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten von Unternehmen und Institutionen immer noch eine kleine Minderheit sind. Das werden wir ändern!

Was wir machen:

Beschluss einer EU-weiten Quote für Frauen in Aufsichtsräten. Die hierzu 2012 vorgelegte Richtlinie muss vom Europäischen Rat endlich verabschiedet werden.

Mehr Frauen im Europaparlament durch verbindliche Reißverschlusssysteme bei den nationalen Listenaufstellungen. Nur wenn Frauen mitentscheiden, können auch Entscheidungen getroffen werden, die Frauen und die Auswirkungen unterschiedlicher Politiken auf Frauen im Blick haben. Wir fordern daher die Mitgliedsstaaten und Unionsorgane auf, dem Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter Rechnung zu tragen und alle Parteien zu quotierten Wahllisten zu verpflichten – mit dem Ziel der Parität. Dies gilt auch für die von uns geforderten europäischen Wahllisten.

Die paritätische Besetzung der Europäischen Kommission - gleiche Anzahl von Kommissarinnen und Kommissaren. Keine der Spitzenpositionen der EU darf davon ausgenommen sein: Frauen und Männer müssen in allen europäischen Institutionen, in allen Hierarchiestufen, gleichermaßen vertreten sein. Wir sehen hierbei alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen in der Pflicht.

Gleichstellung in der Wissenschaft. Allein in Deutschland sind derzeit weniger als 25% der Professuren an Frauen vergeben. Um auch in der Wissenschaft eine paritätische Besetzung von Führungspositionen mit Frauen und Männern zu erreichen, werden wir neue EU-weite Förderprogramme schaffen, die insbesondere Frauen im MINT-Bereich unterstützen sollen.

3. Mehr Respekt, Recht auf sexuelle Identität und Gleichberechtigung

Völlig egal mit welcher sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität: Jeder Mensch hat das universelle Recht auf Respekt, Anerkennung und ein Leben frei von Diskriminierung und Gewalt. Die Gleichbehandlungsrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Intersexuellen und queeren Menschen (LSBTIQ) werden wir weiter stärken.

Was wir machen:

Verabschiedung der europäischen Richtlinie von 2008, die Diskriminierung auch in den Bereichen Sozialschutz, Bildung sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verbietet (5. Antidiskriminierungs-Richtlinie).

Eine ehrgeizige EU Gesetzgebungsagenda, die gleiche Rechte und Chancen garantiert und die LGBTIQ-Rechte in allen Bereichen schützt. Damit soll auch ein Gegengewicht gegen „Anti-Propaganda“-Gesetze in einzelnen Mitgliedsstaaten gesetzt werden, die Diskriminierung und Hass gegen LSBTIQ-Menschen befördern.

Strafverfolgungsbehörden überall in Europa sensibilisieren, um ein konsequenteres Vorgehen gegen Gewalt gegen Frauen sowie gegen Gewalt auf Grund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität vorgehen zu können.

In allen Mitgliedsstaaten muss in Asylverfahren gelten: Diejenigen, die in Europa Schutz suchen, weil sie in ihrer Heimat aufgrund ihrer sexueller Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, müssen grundsätzlich als Asylbewerber und Asylbewerberinnen anerkannt werden.

Geschlechtsanpassende Operationen sind in allen Mitgliedsstaaten anzuerkennen. Den Zugang zu schnellen und transparenten Verfahren für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit muss gewährleistet sein.

Wir verurteilen sogenannte „Reparativtherapien“ oder „Konversionstherapien“ von LSBTIQ-Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass europaweit sogenannte „Konversionstherapien“ verboten werden. Homosexualität ist keine Krankheit. Die sogenannten Therapien fügen Menschen physisch und psychisch zum Teil enorme Schäden zu.

4. Gewalt gegen Frauen stoppen

Die Diskussionen über #Metoo haben das erschreckende Ausmaß von sexualisierter Gewalt, Übergriffen und Belästigungen gegenüber Frauen nicht nur in Europa öffentlich gemacht. Wir wollen mehr Schutz von Mädchen und Frauen. Deswegen brauchen wir in Europa eine gesellschaftliche Debatte über Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen. Damit verbunden benötigen wir mehr Präventionsmaßnahmen und die konsequente Verfolgung aller Formen von Gewalt gegen Frauen sowie geschlechterbezogener Gewalt.

Was wir machen:

Die Istanbul Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt muss in allem Mitgliedsstaaten ratifiziert und konsequent angewendet werden.

Eine verbindliche Strategie samt EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wird eingeführt. Wir machen uns für eine flächendeckende Versorgung mit Frauenhäusern in ganz Europa stark und vereinbaren Standards, die sie erfüllen müssen.

Den Prozess der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für einen verbindlichen Arbeits- und Sozialstandard „Gewalt gegen Frauen und Männer am Arbeitsplatz “ wird unterstützt.

Verpflichtung der Europaabgeordneten den Kodex für angemessenes Verhalten zum Schutz beispielweise vor sexueller Belästigung zu unterzeichnen. Wer diesen Verhaltenskodex nicht unterzeichnet, kann von bestimmten Funktionen im Parlament ausgeschlossen werden.

Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel. Wir wollen, dass Europa konsequenter gegen Schlepperbanden, Menschenhändler und Zwangsprostitution vorgeht. Es ist höchste Zeit für ein stärkeres europäisches Vorgehen für einen besseren Schutz von Frauen und Mädchen und die Eindämmung von Menschenhandel.

Frauen werden konsequent an Friedensprozessen beteiligt und in Kriegs- und Krisenfällen auf nationaler und europäischer Ebene geschützt. Wie von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 beschlossen, müssen Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau mit einbezogen werden – nur so sind nachhaltige Lösungen erreichbar.

VI. Für ein Europa des nachhaltigen Fortschritts und mehr Lebensqualität

Europa hat den größten gemeinsamen Wirtschaftsraum der Welt geschaffen und erfolgreich damit begonnen, eine gemeinsame Währung einzuführen. Unsere Wirtschaft in Deutschland ist stark, global wettbewerbsfähig und innovativ. Wir wollen für den ganzen Standort Europa eine starke Wirtschaft, die Digitalisierung als Chance begreift und aktiv gestaltet, die gute Arbeit schafft und faire Löhne zahlt. Eine Wirtschaft, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützt und respektiert. Dabei zeigt sich, dass die auf Wettbewerb ausgerichteten ökonomischen Rahmenbedingungen zu tief in die Gesellschaft hineinreichen. In immer mehr Lebensbereichen diktiert der Markt die Regeln. Auch im Bereich unserer Daseinsvorsorge steht immer weniger der Mensch im Mittelpunkt, sondern immer mehr die Profitmaximierung. Gemeinsam können wir diese Entwicklung stoppen und umkehren. Wachstum darf nicht nur monetären Wohlstand bedeuten, sondern auch zu einem Mehr an Lebensqualität führen.

Das freie und offene Internet ist ein globales Freiheitsversprechen und der Zugang dazu ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und Meinungsvielfalt, Innovationsfähigkeit und fairen Wettbewerb. Zugleich ist es als die zentrale digitale Kommunikationsinfrastruktur Voraussetzung für eine demokratische Öffentlichkeit. Wie eigentlich nie zuvor steht aber genau dieses freie und offene Netz zunehmend unter Druck, auch in Europa. Offensichtlich geworden ist, dass es der politischen Gestaltung der digitalen Gesellschaft bedarf und dass es rechtlich verbindliche Regelungen geben muss, um eine offene, freie und demokratische digitale Gesellschaft zu schaffen. Das gilt auch für die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte im weltweiten Netz. Das Recht auf Privatsphäre und die Kommunikationsfreiheiten müssen auch im digitalen Zeitalter durchgesetzt und Medien-, Meinungs- und Informationsfreiheit sichergestellt werden. Es darf nicht sein, dass jedwede Kommunikation im Namen der Sicherheit oder auch zum Schutz der Urheberrechte anlasslos und ohne jede effektive demokratische und rechtstaatliche Kontrolle analysiert und auf mögliche Rechtsverletzungen untersucht wird. Die SPD wird steht für ein offenes, freies und demokratisches Europa und für ein freies und offenes Netz und wird sich den von vielen Seiten geforderten Einschränkungen der Kommunikationsfreiheiten oder der Medien- und Meinungsfreiheit entscheiden entgegenstellen.

Die Digitalisierung bietet das Potenzial, unseren Alltag angenehmer zu gestalten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren und Arbeit selbstbestimmter zu gestalten. Körperlich schwere Arbeiten können an Roboter abgegeben werden, Krankheiten durch künstliche Intelligenz früher und zuverlässiger erkannt, individuelle Bildung ermöglicht und ganz neue Mobilitätskonzepte entwickelt werden. Die Entscheidungen darüber, wiewir zukünftig leben und arbeiten, dürfen wir aber nicht den Investorinnen und Investoren aus dem Silicon Valley oder autoritären Staaten wie China überlassen. Demokratie und Selbstbestimmung in der digitalen Gesellschaft können nur durch intelligente und konsequente Regulierung und massive europäische Investitionen in Zukunftstechnologien gesichert werden. Wer die Grundrechte des Einzelnen auch morgen schützen will, der muss heute die Digitalisierung gestalten.

In diesem Sinne muss der wissenschaftliche und technische Fortschritt ganz wesentlicher Bestandteil der politischen Gestaltung unserer Zukunft sein. Sie muss zunehmend auf die europäische Ebene gehoben werden, um global eine tragende Rolle übernehmen zu können. Hierfür muss die Zukunft des Internets demokratisch gestaltet werden. Es kann nicht sein, dass einige wenige privatwirtschaftliche und gewinnorientierte Digitalplattformen darüber bestimmen, wie die digitalen Räume im Netz auszusehen haben. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Europa mit intelligenter Regulierung eine Vorreiterrolle spielt, die dann eine gute Chance hat, die Basis für einen globalen Standard zu werden.

Spätestens der Datenskandal um Cambridge Analytica und Facebook hat uns vor Augen geführt, wie persönliche Daten und unser Online-Verhalten für kommerzielle und politische Zwecke missbraucht werden und wie selbst versucht wird, unser Wahlverhalten zu manipulieren. Jedes Surfverhalten wird minuziös analysiert und jeder Schritt im Internet wird verfolgt. Multinationale Unternehmen sammeln innerhalb von wenigen Sekunden eine Menge persönlicher Daten über uns. Ohne dass es irgendjemand bemerkt, wissen sie mehr über uns als wir manchmal über uns selbst. Gemeinsam können wir unsere Daten und auch uns als Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor der Sammelwut und Marktmacht der großen Konzerne schützen.

1. Wirtschaft der Zukunft gestalten

Wir brauchen ein handlungsfähiges Europa, das aktive Wirtschaftspolitik betreibt mit dem Anspruch einer demokratischen, sozialen und ökologischen Steuerung. Die Herausforderungen der Digitalisierung, Dekarbonisierung, Globalisierung und des demografischen Wandels dürfen nicht allein dem Markt überlassen werden.

Was wir machen:

Wir legen verbindlich fest, was durch die freien Kräfte des Marktes zur Ware werden darf und was nicht. Die Bereitstellung öffentliche Güter wie Bildung, Gesundheit, öffentlicher Personennahverkehr, Pflege, öffentliche Infrastruktur (auch digitale Infrastruktur, Wasserversorgung und Wasserentsorgung) kann nicht dem Markt überlassen werden. Zudem lehnen wir die Liberalisierung weiterer Dienstleistungsmärkte und das damit verbundene Absenken von Beschäftigtenschutz- und Qualitätsstandards ab.

Eine aktive, strategische und nachhaltige Industriepolitik. Wir wollen mehr gemeinsame industriepolitische Modellprojekte. Das AIRBUS-Konzept gilt uns als Referenz. Ein Schwerpunkt kann die Schaffung einer europäischen Batteriezellfertigung sein und eine neue europäische Kooperation zur Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie zur marktfähigen Produktionsketten.

Wir stärken die Investitionen, v.a. in den Bereichen, die einen echten europäischen Mehrwert bringen, etwa im Bereich der Netzwerkindustrien.

Wir schließen einen Pakt zur Entwicklung der Industrie in wirtschaftlich schwachen Gebieten, insbesondere in Ost- und Südosteuropa, nach dem Vorbild des Marshall Plans.

Europa muss treibende Kraft sein, die Verflechtung des Welthandels sozial, ökologisch und transparent zu gestalten. Dazu benötigt es verbindliche Regelungen und eine Stärkung der WTO. Europa soll weltweit ein Beispiel sein für freien und fairen Handel. Wir stellen auch sicher, dass Handelsbeziehungen die lokale Gestaltungsmacht nicht untergraben. Handelsstreitigkeiten müssen vor öffentlichen Gerichten oder internationalen Handelsgerichtshöfen geklärt werden und dürfen nicht in privaten Schiedsgerichten verhandelt werden.

Europäische Firmen, die außerhalb der EU produzieren, sollen beim Import ihrer Produkte den Nachweis erbringen, dass sie die Standards der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten haben.

Eine bessere und wirksamere Integration der Wirtschaftspolitik – perspektivisch mit der Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum unter politischer Führung eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers. Diese soll über das Europäische Parlament legitimiert und kontrolliert werden. Ziel bleibt die Weiterentwicklung der Eurozone zu einer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Union.

Ein europäisches Konzept gegen den Fachkräftemangel. Wir brauchen für Unternehmen wie für außereuropäische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einheitliche und einfache Regelungen für legale Zuwanderung nach Europa. Das deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz könnte hierfür als Vorlage dienen.

2. Digitalisierung für alle

Die SPD will, dass alle vom digitalen Wandel profitieren. Im Zentrum der Digitalisierung muss der Mensch stehen, das heißt die Bürgerinnen und Bürger Europas. Wir werden ihre Souveränität, Freiheit und Sicherheit schützen und stärken. Technologie ist nie Selbstzweck, sondern immer Instrument zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen.

Was wir machen:

Daten für alle - digitale Monopole aufbrechen: Google, Amazon und Facebook sind zu Datenmonopolen mit unglaublicher Macht geworden. Wir werden den offenen Zugang zur Nutzung von vollständig anonymisierten und nicht-personenbezogenen Daten in Europa sicherstellen und verhindern, dass Datenschätze weiterhin von einigen Monopol-Konzernen exklusiv verwertet werden. Dafür verpflichten wir sie, ihre vollständig anonymisierten und nicht-personenbezogenen Daten zu teilen und öffentlich zugänglich zu machen. Zudem werden wir Anreize für gemeinsame Datenpools schaffen, die es Unternehmen ermöglichen, auf freiwilliger Basis Daten zu teilen.

Offene Schnittstellen bei Bezahlfunktionen oder Sprachsteuerung von Zusatzgeräten. Die digitalen Großkonzerne haben sich eigene Bezahl- und Sprachsteuerungssysteme geschaffen. Diese müssen offen sein für andere europäische Dienstleister, um den Marktzugang zu erleichtern und einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

Sicherheits-Updates für mobile Endgeräte gewährleisten. Hersteller von Mobiltelefonen, Tablets und ähnlichen mobilen Endgeräten wollen wir verpflichten, für den Zeitraum von mindestens 4 Jahren ab Verkaufsstart Sicherheits-Updates für das Betriebssystem der gekauften Geräte kostenlos anzubieten.

Zugang zu schnellem Internet und Mobilfunk schaffen. Wir wollen schnelles Internet und flächendeckenden Mobilfunk für alle Bürgerinnen und Bürger gerade auch in ländlichen Regionen. Die Versorgung gehört zur Daseinsvorsorge und muss daher zu 100% in der Fläche sichergestellt werden. Die Investitionen müssen ausder Privatwirtschaft kommen – dafür schaffen wir entsprechende Investitionsanreize.

IT-Sicherheit verbessern: Die Verletzlichkeit der digitalen Gesellschaft ist groß. Wir werden Haftungsregeln für die Hersteller vernetzter Produkte definieren, gesetzliche Standards verbessern und die Unabhängigkeit der Behörden zum Schutz der IT-Sicherheit stärken. Zudem wollen wir eine europaweite einheitliche Kennzeichnung einführen, die auf die Netzwerkfähigkeit technischer Geräte hinweist, die auf dem europäischen Markt verkauft werden. Schwachstellen beim Schutz der europäischen Industrie werden wir schließen und Cyberwaffen weltweit ächten.

Gemeinwohl-orientierte Digitalisierungsförderung. In der digitalen Gesellschaft müssen zivilgesellschaftliche Stimmen die gleiche Geltung haben wie Stimmen der Wirtschaft. Um das zu gewährleisten, schaffen wir eine europäische Einrichtung, die technologische Lösungen zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme mit allen Akteuren organisiert.

Wir wollen prüfen, ob es möglich ist, europäische Alternativen zu den derzeit dominierenden Plattformunternehmen aufzubauen. Das übergreifende Ziel zur Stärkung von Demokratie, Meinungsfreiheit und -vielfalt könnte eine neue digitale Infrastruktur für Europa sein: transnationale Plattformen mit Angeboten für die europäische Öffentlichkeit.

3. Europa zur führenden Innovationsregion der Welt machen

Europa muss in der Forschung und Wissenschaft unabhängig sein von Drittländern und Großunternehmen mit forschungspolitisch relevanter Monopolstellung. Das gilt besonders für die Herausforderung der Digitalisierung. Und Europa muss stark darin werden, neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung gemeinsam ebenso verantwortlich wie zielgerichtet und zügig in soziale, kulturelle und ökonomische Innovationen umzusetzen.

Was wir machen:

Einrichtung eines Europäischen Innovationsrates (EIC) zur Förderung bahnbrechender (disruptiver) Ideen und Konzepte. Dabei muss die europäische Innovationsförderung den sozialen sowie den gesamtgesellschaftlichen Einfluss neuer Produkte, Dienstleistungen und Erkenntnisse berücksichtigen.

Europas Spitzenposition in der Forschung ausbauen. Wir wollen, dass alle EU-Mitgliedstaaten das Ziel erreichen, bis 2025drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung zu investieren. Dazu sollen die Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene zusammen mit der Europäischen Union zu verbindlichen Verabredungen kommen. Unser Ziel ist es, alleine in Deutschland bis 2025 einen Anteil von 3,5 % am BIP zu erreichen. Gleichzeitig wollen wir die Europäischen Forschungsrahmenprogramme stärken.

Stärkere Zusammenarbeit der europäischen Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und systematische Förderung von Anwendungen, die den Menschen im Arbeitsprozessaufwerten.

Aufbau europäischer Cloud-Anbieter, die die Daten-Souveränität europäischer Bürgerinnen und Bürger sowie der europäischen Unternehmen sicherstellen und den hohen europäischen Datenschutzbestimmungen genügen.

Förderung von europäischen Daten-Pools, die es europäischen kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren ermöglichen, Technologien wie maschinelles Lernen und Big Data Analytics für sich zu nutzen.

Europäische Cloud für offene Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Forschung und Entwicklung der Wirtschaft. Angesichts neuer Herausforderungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft wollen wir eine europäische Cloud aufbauen, durch die Forschungsergebnisse, Forschungsdaten und Dateninfrastruktur frei zugänglich gemacht wird. Das ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Nutzung von maschinellem Lernen und Big Data Analytics.

Europa zur führenden Innovationsregion bei der Erschließung von Potentialen der Meere und Küsten für Wachstum und Beschäftigung machen. Wir wollen die Meeresbiotechnologie weiterentwickeln und marine Organismen für neue, nachhaltige Produkte nutzen.

Mehr Grundlagenforschung im Bereich der geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung. Sie ist unabdingbar für die Reflektion eines gemeinsamen europäischen gesellschaftlichen Raumes. Bisher stagniert das vergleichsweise niedrige Budget für die Grundlagenforschung im neuen Förderprogramm „Horizon Europe“.

4. Datenschutz und Verbraucherschutz stärken

Der Schutz von Nutzerinnen und Nutzern, Verbraucherinnen und Verbrauchern, muss auch unter den Bedingungen der Digitalisierung weiter gestärkt werden. Eine europäische Regulierung von Medienplattformen und Informations-Intermediären zählt hierzu. Bei der Entwicklung und beim Einsatz von Algorithmen werden wir uns für internationale Ethikstandards einsetzen.

Was wir machen:

Vorrang für die Privatsphäre der digitalen Welt – Schutz des digitalen Briefgeheimnisses. Wer im Internet unterwegs ist, soll besser vor unerwünschter Werbung und Nachspionieren („tracking“) geschützt werden. Die Vertraulichkeit unserer elektronischen Kommunikation werden wir zudem besser schützen. Dafür überwinden wir die konservativen Widerstände gegen die E-Privacy-Verordnung, so dass der Rat der Ministerinnen und Minister endlich über die Verordnung entscheiden kann und werden uns gegen Vorschläge stellen, E-Mails und Messenger-Nachrichten auf unzulässige Inhalte verdachtslos undflächendeckend durchsuchen zu lassen – etwa zum Auffinden potentieller strafbarer Inhalte.

Alltagsgeschäfte auch online anonym bezahlen. Über die bargeldlose Bezahlung ist das Erstellen von persönlichen Profilen möglich. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen in der Lage sein, bei Alltagsgeschäften online anonym zu bezahlen – in dem Rahmen, in dem dies auch bei Bargeldzahlungen möglich ist.

Pflicht für Transparenz für Online-Marktplätze. Sie sollen deutlich sichtbar machen, welche Kriterien für die Sortierung von Suchergebnissen zugrunde gelegt werden, insbesondere auch darüber, ob Provisionen fließen. „Bezahlte Platzierungen“ müssen klar erkennbar sein.

Diskriminierung und Entsolidarisierung durch Algorithmen und Scoring verhindern. Wir wollen weiterhin in einer solidarischen Gesellschaft leben und „Social Scoring“ abwehren. Deshalb werden wir die Gefahren von Algorithmen-basierten Entscheidungen und Scoring auf Individuen und Gesellschaft eindämmen, Nachvollziehbarkeit und Transparenz für Verbraucher sicherstellen und unabhängige staatlich-legitimierte Kontrollinstitutionen einführen. Differenzierung darf nicht zu Diskriminierung führen, deshalb wollen wir individualisierte Preise und verhaltensabhängige Versicherungstarife gesetzlich beschränken.

Verbraucher stärken gegen aggressive Werbung und Irreführung. Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht auf Schadensersatz und auf Vertragsauflösung gegenüber Unternehmen bekommen, die mit unlauteren Methoden Werbung betreiben.

Gemeinsam Recht bekommen. Wir wollen die Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Minderung oder anderer Gewährleistungsrechte weiter stärken. Dafür soll Europa die Mitgliedsstaaten dabei unterstützten, kollektive Folgenbeseitigungsklagen oder behördliche Folgenbeseitigungsverfügungen einzuführen.

Bußgelder mit Abschreckungswirkung bei Verstößen gegen Verbraucherrechte. Strafen gegen Konzerne wegen der Verletzung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbraucher sind heute oft nicht wirksam. Deshalb soll zukünftig neben der Schwere des Verstoßes auch der Umsatz eines Unternehmens für die Höhe eines Bußgeldes eine Rolle spielen.

Anreize schaffen für sichere Software und IT-Sicherheit. Wir wollen ökonomische Anreize für die Herstellung bei digitalen Gütern und Dienstleistungen schaffen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass erkannte Fehler und Schwachstellen beseitigt werden.

Herstellerhaftung auch für Programmierfehler und unzureichenden Verschlüsselungen. Die Produkt- und Herstellerhaftung passen wir so an, dass auch Schäden aufgrund von Programmierfehlern oder unzureichenden Verschlüsselungen oder mangelnder IT-Sicherheit wie Schäden aufgrund von Produktionsfehlern behandelt werden. Es muss zudem sichergestellt werden, dass erkannte Fehler und Schwachstellen beseitigt werden.

VII. Umwelt schützen und Mobilität fördern

Eine der größten Herausforderung und auch Verantwortung für Europa liegt im Klimaschutz. Die Industrialisierung hat unserem Kontinent Wohlstand und Fortschritt gebracht. Sie hat aber auch maßgeblich die Ursachen für die Klimaerwärmung gesetzt. Ein Prozess der bis heute andauert mit global-katastrophalen Folgen: Lebensräume werden zerstört, für viele Menschen wird der Klimawandel zur Fluchtursache. Auch für die Tier- und Pflanzenwelt ist die Bedrohung enorm. Unmissverständlich hat der Hitzesommer 2018 gezeigt, der Klimawandel findet auch bei uns statt, nicht nur woanders. Wir sind die einzige Generation, die die Folgendes Klimawandels erkennt und womöglich noch ein kleines Zeitfenster hat, ihn einzudämmen. Gemeinsam müssen wir diese letzte Chance für die Welt und Europa nutzen.

Das bedeutet vor allen, dass wir unsere Energiewende fortsetzen müssen. Das gilt für Elektrizität ebenso wie für Wärme und Kälte und den Mobilitätssektor. Wir sind mit unserer modernen Industrie zwingend auf eine stabile und sichere Versorgung angewiesen. Gleichzeitig muss umgehend der Ausstoß mit klimaverändernden Schadstoffen drastisch reduziert werden. Der von uns in Deutschland mitinitiierte Ausstieg aus der Braunkohle war deshalb ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist eine große Verantwortung, den davon betroffenen hartarbeitenden Kolleginnen und Kollegen in den Revieren jetzt eine sichere Existenz zu geben - für sich und ihre Familien. Das gleiche gilt für die betroffenen Unternehmen und Regionen. Wir können gemeinsam beweisen, dass Gewährleistung der Energiesicherheit für einen industriellen Hightech-Standort und der Verzicht auf klimaschädliche Gase gleichzeitig möglich sind. Wir eröffnen der europäischen Wirtschaft damit Chancen eine Innovationskraft zu entwickeln, die sie auch auf Jahrzehnte auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig halten wird und ihr erlaubt, eine Technologieführerschaft in der Energiewelt von Morgen zu übernehmen.

Damit verbunden ist die Zukunft der Mobilität in Europa. Ohne Mobilität ist die Teilhabe an der Gesellschaft nicht möglich. Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Sie ist deshalb auch ein Teil der Daseinsvorsorge. Dabei steigt das Verkehrsaufkommen in Europa stetig. Immer mehr Menschen fahren zu ihrem Arbeitsplatz, immer mehr Pakete werden ausgeliefert, immer mehr Kinder werden zur Schule gefahren. Schon jetzt sind die Folgen ständiger Stau und Verkehrslärm, eine zu hohe Luftverschmutzung und letztendlich Klimabelastung. Gemeinsam können wir für eine moderne Mobilitätspolitik sorgen, die sozialen, ökonomischen und ökologischen Ansprüchen und Ansprüchen an Barrierefreiheit gerecht wird.

Wir wollen frische Luft, fruchtbare Böden, sauberes Wasser, eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sowie gesunde Lebensmittel– und zwar für die heutige wie für alle zukünftige Generationen. Das ist das Ziel unserer Umweltpolitik. Für ein sozialeres Europa spielt Umweltgerechtigkeit gerade im Hinblick auf die zunehmende soziale Polarisierung eine entscheidende Rolle: Die Erfolge im Umweltschutz müssen allen Menschen zugutekommen. Die Sozialverträglichkeit der notwendigen Strukturveränderungen für den Schutz unserer Umwelt ist unser Ziel. Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen dadurch nicht einseitig belastet werden. Umweltgerechtigkeit heißt demnach auch, dass ökonomische Raubbau auf Kosten der Umwelt und damit auf Kosten der Allgemeinheit nicht mehr möglich ist. Dabei spielt die Zukunft der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass der Umweltschutz verbessert und die Versorgung mit nachhaltigen Lebensmitteln gesichert wird.

1. Klima schützen und erneuerbare Energien ausbauen

Wir stehen zu unserer Verantwortung gegenüber heutigen und künftigen Generationen und setzen uns für eine ambitionierte Klimapolitik und eine europaweite Energiewende ein. Den damit verbundenen Strukturwandel wollen wir im Interesse der Beschäftigten gerecht gestalten. Wir wollen dafür Europas Industrie möglichst klimaneutral und gleichzeitig wettbewerbsfähig ausgestalten und die Europäische Energieversorgung CO2-neutral und bezahlbar sicherstellen. Damit setzen wir weltweit neue Standards für Umwelt- und Klimaschutz.

Jugendliche gehen derzeit auf die Straße, weil sie sich Sorgen um die Zukunft des Planeten und damit IHRE Zukunft machen (Fridays for Future). Wir treten für die Einbeziehung von Jugendlichen und ihren Interessenvertretungen und –gruppen bei Diskussionen und Entscheidungsprozessen zum Thema Umwelt- und Klimawandel ein.

Was wir machen:

Stärkere Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung: Um das Ziel des Pariser-Abkommens zu erreichen, unterstützen wir eine Anhebung des europäischen Klimaschutzziels auf mindestens 45Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 (Basisjahr 1990). Sowie das langfristige Ziel der Treibhausgarneutralität bis 2050.

Wir wollen weiterhin ambitionierte Schritte zur schnelleren Umstellung des Energiemixes hin zu mehr erneuerbaren Energien in ganz Europa vereinbaren. Dazu gehört das Funktionieren des europäischen Emissionshandels weiterhin sicherzustellen, eben sowie die Einführung eines CO2-Preises für die Sektoren, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind.

Die Forschung für Klimaneutralität massiv ausbauen. Die Europäische Forschungsförderung werden wir darauf ausrichten, Innovation zur Umstellung unserer Wirtschaft auf Klimaneutralität und zur Klimaanpassung zu entwickeln. Daneben wird auch die Forschung zu den sozialen Folgen des Klimawandels, der Klimaanpassung und der ökologischen Transformation unserer Gesellschaft gefördert.

Energieeffizienz fördern. Wir unterstützen das Ziel von 32,5 % Energieeffizienz bis zum Jahr 2030 in der EU. Investitionen in Energieeffizienz sind der wirtschaftlichste Weg für die europäische Energiewende und unterstützen das Ausbauziel für erneuerbare Energien konsequent. Das heißt für uns verstärkte Anstrengungen beim Gebäudebestand, der Sektorkopplung, Speichertechnologien oder zum Beispiel die Nutzung industrieller Abwärme.

Den Europäischen Energiebinnenmarkt durch Ausbau von Infrastruktur und Energiespeicher stärken. Er fördert die Versorgungssicherheit beim Ausbau erneuerbarer Energien. Das Ziel müssen weiterhin einheitliche Preiszonen für Strom und Gas in ganz Europa sein.

Wir setzen uns für einen Fahrplan zum europäischen Atomausstieg ein.

Einen Fonds für faire Transformation auflegen: Wirtschaftszweige, in denen die Beschäftigten, Unternehmen und ganze Regionen vor einem tiefgreifenden Strukturwandel stehen, müssen europaweit gezielt durch industrie- und sozialpolitische Investitionen unterstützt werden. Ein Transformationsfonds soll strategische Investitionen zur Dekarbonisierung industrieller Wertschöpfungsketten forcieren, hochwertige Beschäftigung sichern und neue wirtschaftliche Chancen ermöglichen.

Finanzinstitute sollen in ihr Risiko-Management die Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange wie auch Klimarisiken integrieren.

„Wohlstandsmüll“ nicht nachfolgenden Generationen hinterlassen. Abfalltransporte in Länder, ohne ausreichend Recyclingkapazitäten lehnen wir ab. Stattdessen stärken wir Abfallvermeidung, Wiederverwendung und Recycling. Wir suchen neue Einsatzmöglichkeiten für Recyclingmaterialien und wollen die Nachfrage nach Kunststoff-Rezyklaten steigern. Bis 2030 müssen alle Kunststoffverpackungen wiederverwendbar oder recycelbar sein.

Engagiertes Vorgehen gegen überflüssiges Plastik und die Vermüllung der Ozeane. Hier verfolgen wir das Ziel einer 50-prozentigen Reduzierung der Plastikmülleinträge bis zum Jahr 2030. Um dies zu erreichen, müssen wir Entwicklungs- und Schwellenländer mit Konzepten zur Abfallvermeidung unterstützen. Für uns in Europa wollen wir Mehrwegsysteme, Verbot bestimmter Einwegplastikartikel, eine Kostenbeteiligung von Herstellern sowie Vorgaben zur abfallvermeidenden und recyclingfreundlichen Produktgestaltung. In diesem Sinne werden wir die Öko-Design-Richtlinie und die Ausgestaltung der EU-Plastikstrategie entwickeln.

2. Die Zukunft der Mobilität europäisch regeln

Mobilität und Verkehr ist für die Teilhabe an der Gesellschaft unabdingbar. Europa ist als bedeutender Wirtschafts- und Industriestandort auf leistungsfähige Verkehrswege und intelligente Mobilitäts- und Logistikkonzepte angewiesen. Für uns muss eine moderne Mobilitätspolitik sozialen, ökonomischen und ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Der Markt ist alleine nicht in der Lage, eine gute und ökologisch nachhaltige Verkehrsinfrastruktur sicherzustellen.

Was wir machen:

Europäische Verkehrsachsen stärken und ausbauen. Die Straßen und die Schienenwege müssen überall in der EU verbessert werden. Zudem ist der Bau von zusätzlichen grenzüberschreitenden Trassen notwendig, damit Europa auch auf der Schiene weiter zusammenwachsen kann. Das gilt auch für strategische Investitionen in die Zwischenverbindungen (sogen. Bypass-Verbindungen), um Hauptachsen zu entlasten. Das gilt ebenso für den Ausbau von grenzüberschreitenden ÖPNV-Verbindungen wie etwa dem Schienenregionalverkehr.

Wir wollen die Gleichberechtigung von Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV, neuen Mobilitätsangeboten und motorisiertem Individualverkehr. Den Nachholbedarf in der Entwicklung der Infrastruktur für den ÖPNV, den Fuß- und Radverkehr wollen wir schrittweise beseitigen.

Förderung urbaner sauberer Mobilitätskonzepte Der Individualverkehr darf nicht weiter der alleinige Maßstab für die Mobilität darstellen. In Europa gibt es viele vorbildliche Städte, in denen es einen kostenlosen bzw. deutlich kostengünstigen, inklusiv und ökologisch orientierten Nahverkehr gibt. Auch der europäische Güterverkehr muss insgesamt klimafreundlicher werden. Der bisher dominante Transportweg Straße muss stärker als bisher durch nachhaltigere Alternativen auf der Schiene und eine möglichst emissionsfreie Schifffahrt flankiert werden.

Eine Verkehrswende einleiten: Neben ambitionierten Grenzwerten wollen wir eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Antriebstechnologien und Produktionsprozesse. Zudem starten wir eine Infrastrukturoffensive für die Elektrifizierung, Vernetzung und Nutzerfreundlichkeit aller Verkehrsträger. Wir wollen außerdem langfristige Konzepte zur Dekarbonisierung von Flugverkehr und Schifffahrt entwickeln.

Mehr Kooperation statt Wettbewerb auf der Schiene in Europa beim Schienenpersonenfernverkehr. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Mitgliedsstaaten einheitliche Tarife, Qualitätsstandards, Taktfahrpläne und Vertriebssysteme organisieren können.

Die Zersplitterung des europäischen Eisenbahnverkehrs beenden. Die gravierenden Nachteile für die Fahrgäste bei Fahrkartenkauf und Fahrgastrechten müssen beseitigt werden. Die Passagierrechte wollen wir erhalten und sinnvoll ausbauen. Hierfür soll die Neufassung der Fahrgast-Verordnung die Nachteile überwinden, die den Fahrgästen durch den Wettbewerb entstehen; insbesondere lehnen wir die Aufnahme von Ausnahmeregelungen für Fahrpreisentschädigungen ab.

Den Einsatz alternativer Kraftstoffe stärker nutzen. Wir nutzen alle Möglichkeiten alternativer Kraftstoffe für den Einsatz in Antriebstechnologien und Mobilitätsdienstleistungen, damit Europa weiter mit an der Spitze des weltweiten technischen Fortschritts und der Innovationen bleibt. Die Wasserstofftechnologie inklusive einer dazu gehörigen Infrastruktur soll als europäisches Projekt in einer grundsätzlich ergebnisoffenen Forschung und Entwicklung weiterentwickelt werden.

Wir wollen, dass die europäisch vereinbarten Grenzwerte für Verbrennungsantriebe bei PKWs und LKWs zu Innovation in der Antriebstechnologie führen. Europa hat nicht umsonst eindeutige Grenzwerte für Emissionen vereinbart. Das ist eine Grundlage, um neue marktfähige Angebote zu entwickeln. Diese können weltweit vermarktet werden.

Emissionsreduktion bei Flug- und Schiffsverkehr. Wir wollen alternative emissionsarme Antriebe und nachhaltige Infrastruktur bei Flugzeugen und Schiffen fördern. Auch hier müssen wir einen Transformationsprozess hin zu Elektroantrieben, Wasserstoff und Brennzellentechnologie und der Nutzung von synthetischen Treibstoffen. Gefragt sind zudem leichtere Materialien beim Flugzeugbau und die Optimierung von Flugrouten. Die Elektrifizierung der Infrastruktur von Flug- und Seehäfen ist ein weiteres wichtiges Element zur Reduktion der Umweltbelastungen. Neben der Luftbelastung wollen wir auch die Lärmbelastung durch alternative Technologien minimieren. Kreuzfahrtschiffe sind zu verpflichten, den Strom im Hafen vom Land zu beziehen und Filter einzubauen. Alle Decarbonisierungsmöglichkeiten sind zu nutzen. Diese aktive und strategische Industriepolitik sichert Europa auch auf diesem Technologiefeld die Chancen im weltweiten Wettbewerb vorne mit dabei zu sein.

Transformation der Leitbranche Automobil begleiten und gestalten. Wir wollen ein neues zukunftsfähiges Leitbild für die Schlüsselbranche Automobilindustrie entwickeln. Die Herausforderungen liegen zum einen in der Entwicklung von digitalisiertem sowie dem autonomen Fahren. Zusätzlich verlangt der Klimawandel einen Beitrag des Verkehrssektors zur C0-2 Reduktion. Dadurch muss sich auch das Profil des Autobauers wandeln: Von reinen Auto-Produzenten zu Anbietern von zukunftsweisenden Mobilitätskonzepten. Dazu gehört die Umstellung auf alternative Antriebe, wie Elektromobilität und Wasserstofftechnologie. Wir wollen diesen Transformationsprozess der Leitbranche Automobil zu einem Erfolg für Europa und die Beschäftigten in der Branche machen, indem wir für die Beschäftigten die Qualifizierung fördern, die Branche unterstützen wir bei neuen Geschäftsmodellen, marktfähigen Produktionsketten und Angeboten. Dabei müssen auch strukturpolitische Unterstützung für betroffene Regionen sowie personal- und arbeitsmarktpolitische Instrumente zur Bewältigung die Transformation begleiten und vorausschauende Qualifizierung sie flankieren. Europa darf nicht ins Hintertreffen geraten und muss seine Technologiefähigkeit weiter unter Beweis stellen. Die Überlegungen zur Zukunft der Mobilität müssen eingebettet sein in die Entwicklung einer ebenen-, disziplin- und ressortübergreifenden strategischen Industrie- und Strukturpolitik, die Aspekte der Energiewende, der Innovationsförderung und der regionalen Entwicklung gleichermaßen in den Blick nimmt.

3. Umwelt schützen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

Wir wollen den Umweltschutz in Europa voranbringen. Es geht um den existentiellen Zugang zu sauberem Wasser, um fruchtbare und gesunde Böden und eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt sowie gesunde Lebensmittel und schadstofffreie Produkte. Als zentrale Errungenschaft in Europa ist das Vorsorgeprinzip Leitfaden unseres Handelns. Dazu gehört auch der Ausstieg aus der Wegwerfgesellschaft – wir wollen nachhaltige Produkte, weniger überflüssige Verpackungen und hochwertiges Recycling. Landwirtinnen und Landwirte produzieren gesunde Lebensmittel, erhalten Kulturlandschaften, schützen natürliche Lebensgrundlagen und tragen zur nachhaltigen Entwicklung der ländlichen Räume bei. Wir wollen sie auch weiterhin unterstützen. Tier-, Natur- und Klimaschutz, die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wahrung sozialer Standards müssen in Zukunft stärker die Grundlage für die Förderung der europäischen Landwirtschaft sein.

Was wir machen:

Agrarförderung vom Kopf auf die Füße stellen. Wir fordern die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Ziel ist nicht die Kürzung der Agrarförderung, sondern deren Bindung an Kriterien, die den Menschen in den ländlichen Betrieben, den ländlichen Regionen sowie dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen. Es gilt: „öffentliches Geld für öffentliche Güter“. Dabei ist die Größe des Betriebes unerheblich.

Den Entzug von Subventionszahlungen für Betriebe, die soziale, ökologische und arbeitsrechtliche Kriterien nicht einhalten.

Schluss mit dem Einsatz von Glyphosat. In ganz Europa muss nach 2023 endlich Schluss sein mit dem Einsatz von Glyphosat und anderen schädlichen Pflanzengiften. Sie töten in kurzer Zeit viele Wildpflanzen und zerstören die Nahrungsgrundlage für Vögel und Insekten. Auch weitere Neonikotinoide, die nicht vom jüngsten EU-Verbot betroffen sind, gehören auf den Prüfstand. Zulassungsverfahren müssen neu justiert und Ausnahmetatbestände reduziert werden. Den Schutz von Bienen und anderen Bestäubern sehen wir als zentrales Versprechen an die nächste Generation.

Vorsorge bei Züchtung und grüne Gentechnik haben Vorrang. Wir wollen keinen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa. Für uns gilt das Vorsorgeprinzip, insbesondere bei neuen Methoden der Gentechnik wie CRISP/Cas. Eine diesbezügliche Aufweichung der EU-Regelungen lehnen wir ab.

Nährwert-Ampel für Lebensmittel. Wir wollen europaweit eine verbindliche Nährwertkennzeichnung einführen nach dem Vorbild der französischen Nährwertampel „Nutriscore“. Verbraucher*innen sollen auf einen Blick den Zucker-, Fett- und Salzgehalt von verarbeiteten Lebensmitteln erkennen, vergleichen unddie gesündere Wahl treffen können.

Gegen landwirtschaftliche Großkonzerne: Wir wollen der Konzentration von Agrarland und Saatgutrechten in der Hand landwirtschaftlicher Großkonzerne oder außerlandwirtschaftlicher Investoren wirkungsvoll entgegentreten.

Nachhaltige europäische Exportpolitik. Die Nahrungsmittelindustrie muss im Einklang mit der Nachhaltigkeit in Europa und den Exportmärkten stehen. Wir lehnen eine landwirtschaftliche Produktion ab, die sich lediglich am Export auf den Weltmarkt ausrichtet und für den Zusammenbruch regionaler Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern mitverantwortlich ist.

Dem Verlust der biologischen Vielfalt wollen wir ein Ende bereiten. Dafür halten wir an unserem Ziel eines eigenständigen EU-Naturschutzfonds fest, damit in europäischen Schutzgebieten Schutz und Pflegemaßnahmen, Artenhilfsprogramme und weitere Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt gefördert werden. Auch bei der Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik müssen ausreichend Mittel bereitgestellt werden, damit Landnutzer und Landnutzerinnen, wie z.B. landwirtschaftliche Betriebe finanzielle Anreize für mehr Naturschutz erhalten.

Für klare Kennzeichnung tierischer Produkte. Wir wollen eine EU-weite Herkunfts- und Fütterungskennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln, ob unverarbeitet oder verarbeitet. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen die Informationen bekommen, woher Milch-, Käse, Eier- oder Fleischprodukte stammen und ob die Tiere mit gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) gefüttert wurden.

Mehr Tierschutz in Europa. Wir wollen eine neue europäische Tierschutz-Strategie erarbeiten und umsetzen. Dazu gehört ein verbesserter Schutz bei Tiertransporten bei einer Begrenzung von maximal acht Stunden Transportzeit – in Europa und in Drittstaaten - sowie ein Verkaufsverbot von Haustieren im Internet.

Unsere Meere effektiv schützen. Wir brauchen europaweite und im nächsten Schritt internationale Lösungen für nachhaltigen Schiffsverkehr, die deutliche Verringerung von klimaschädlichen Emissionen und die Nutzung alternativer Antriebstechnologien. Zum Schutz der Meeresumwelt gehören auch in nachhaltiger Aquakultur erzeugte Lebensmittel und Konzepte für einen umweltverträglichen Meeres- und Küstentourismus.

VIII. Friedensmacht Europa stärken

Die Weltordnung, die wir gekannt und an die wir uns gewöhnt haben, besteht nicht mehr. Jahrzehntelange Allianzen werden im Twitter-Takt in Frage gestellt. Russlands Angriffe auf Völkerrecht und Staatensouveränität, die egoistische Politik des „America First“, genauso wie die aggressive wirtschaftliche Expansion Chinas verunsichern die Welt.

Wir streben eine Europäische Souveränität an, die es Europa ermöglicht als aktiver Akteur auf der Weltbühne für seine Werte und Lebensweise einzustehen. Europa darf nicht zum Spielball anderer werden, es muss sein Schicksal stärker selbst in die Hand nehmen können. In dieser Weltordnung wollen wir Europa als Friedensmacht positionieren, die steht für eine solidarische Kooperation zur Gewinnung und Erhaltung des Friedens, für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und für die Teilhabe aller Menschen überall auf der Welt am Wohlstand dieser Welt.

70 Jahren lang traten die USA ein für Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in Europa. In dieser Zeit profitierten wir wie kaum ein anderes Land von der Europäischen Integration und der Einbindung in die transatlantische Gemeinschaft.

Die Dringlichkeit, mit der wir die Kraft Europas in der Welt bündeln müssen, ist heute größer denn je. Die Kündigung des INF-Abrüstungsabkommens ist ein schwerer Schlag für die internationale Rüstungskontrollpolitik und ein schlechtes Vorzeichen für die Sicherheit in der Welt. In den sechs Monaten der Suspendierung des Abkommens bis zu dessen endgültigem Aus wollen wir alles unternehmen, um Russland zu einer Rückkehr zur Vertragstreue zu bewegen und die Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, zu dem Abkommen zurückzukehren.

Das drohende Scheitern des INF-Abkommens deutet aber auch auf ein viel größeres Problem hin: immer mehr Staaten rüsten auf und wir haben keine ausreichenden internationalen Regelungen um Rüstungswettläufe zu verhindern. Vertragsgestützte Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung müssen wieder in den Mittelpunkt unserer Politik gerückt werden. Wir wollen in der Rüstungskontrolle die bestehenden Abkommen erhalten und möglichst viele Staaten in neue Abkommen einbinden. Außerdem müssen wir internationale Regeln für die Waffensysteme der Zukunft schaffen: Dazu gehören Letale Autonome Waffensysteme, Hyperschallwaffen, Cyber-Instrumente und der mögliche Missbrauch von Biotechnologie. Unsere Position ist klar: Wir wollen keine neue Aufrüstungsspirale. Eine Stationierung nuklearer landgestützter Mittelstreckenwaffen in Europa kann nicht die Antwort sein.

Die Sicherung des Friedens, die soziale Gestaltung der Globalisierung, der Klimawandel, die Ursachen von Flucht und Vertreibung – zu diesen weltweiten Herausforderungen kann Europa mit der vereinten Kraft seiner 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger einen entscheidenden Beitrag leisten. Wir wollen, dass Europas Fahne das neue Banner der freien Welt bleibt. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass Europa zusammen mit anderen Partner sein ganzes politisches Gewicht einbringt und eine friedliche, gerechte und regelbasierte internationale Ordnung fortentwickelt. Hierfür brauchen wir Mut und politische Klarheit in Europa, um ein Gegengewicht zu Nationalismus und Abschottung der Populisten zu bilden Gemeinsame Außenpolitik stärken und für eine Politik der Abrüstung.

Wir wollen ein Europa, in dem die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien auch nach dem absehbaren Brexit eng und partnerschaftlich sind. Großbritannien verlässt zwar die EU, bleibt aber ein wichtiges und starkes Land in und für Europa. Die EU-Erweiterungspolitik bleibt wichtig, um Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit zu fördern. Zugleich muss die EU durch innere Reformen ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Wir halten an der Beitrittsperspektive für die Länder des westlichen Balkans fest. Wir schenken der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dabei besondere Aufmerksamkeit.

Eine besondere Herausforderung für uns ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten sind und bleiben die Beziehung zwischen der Türkei und Europa sowie Deutschland von großer Bedeutung - auch vor dem Hintergrund der vielen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland und Europa. Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten der Zivilgesellschaft steht im Widerspruch zu den Werten der Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die grundlegend für die europäische Wertegemeinschaft sind. Weder die Türkei noch die Europäische Union sind in absehbarer Zeit für einen Beitritt bereit. Die südliche und östliche Nachbarschaft der EU wollen wir durch eine immer engere Zusammenarbeit in ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützen, auch weil wir als EU selbst ein großes Interesse an einer stabilen Nachbarschaft haben.

Willy Brandt, Egon Bahr, Olof Palme, François Mitterrand Wir sind die Partei des Dialogs und Ausgleichs, der Suche nach gemeinsamen Interessen sowie des mutigen Voranschreitens für Gerechtigkeit und Demokratie. Unsere EU-Außenpolitik basiert auf der Einhaltung der Menschenrechte mit einem besonderen Augenmerk auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Angesichts von Kriegsgefahren, Kriegen und Krisen sind hierfür die Herausforderungen deutlich gestiegen. Europa kann sich seiner eigenen Kraft besinnen – und seine Eigenständigkeit unter Beweis stellen. Europa muss sich stark machen für das internationale Recht, für multilaterale Lösungen, für Abrüstung und Frieden sowohl in Europa als auch in anderen Regionen der Welt.

Was wir machen:

Europa muss alles daransetzen, das internationale Abrüstungsregime vor dem Kollaps zu bewahren. Die noch verbleibende Zeit muss genutzt werden, um den INF-Vertrag zum Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen trotz der Kündigung durch US-Präsident Trump möglichst doch noch zu retten. Auch werden wir keinen Zweifel daran lassen, dass wir ein neues atomares Wettrüsten strikt ablehnen: keine neuen Atomwaffen in Deutschland und Europa! Wir wollen zudem die weiteren Abrüstungsinitiativen von Heiko Maas zur Einbeziehung von autonomen Waffensystemen und Cyberwaffen europäisch unterlegen.

Europa wird in der Welt durch einen europäischen Außenminister/ eine Außenministerin vertreten. Das Amt des „Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ wollen wir fortentwickeln. Wer mit Europa verhandeln will, muss wissen mit wem er es zu tun hat.

Das Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Entscheidungen wird abgeschafft. Der Rat der europäischen Außenministerinnen und Außenminister soll mit Mehrheit entscheiden können. Es muss ein Ende haben, dass Mitgliedsstaaten sich auseinanderdividieren lassen und sich Europa damit außenpolitisch lähmt.

Europa strebt gemeinsam einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) an. Die deutsche Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat 2019 und 2020 wollen wir als europäische Mitgliedschaft gestalten.

Initiative für eine neue Nord-Süd Strategie. Wir wollen, dass die Beziehungen Europas mit seinen internationalen Partnern, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, an den Prinzipien der Menschenrechte, der Friedenssicherung, der nachhaltigen Entwicklung und der Überwindung struktureller Ungleichheiten neu ausgerichtet werden. Um die weltweite Umsetzung der Pariser Klimaziele zu intensivieren, wollen wir die Bedeutung und die Kapazitäten der Klimadiplomatie Europas ausbauen.

Zur Stärkung der europäischen Friedenspolitik fordern wir ein neues ziviles „Europäisches Stabilisierungcorps“. Alle Mitgliedsstaaten entsenden dafür Expertinnen und Experten für demokratischen Staatsaufbau, Etablieren von Rechtsstaatlichkeit und -ordnung und Ausbildung von Sicherheitskräften. Wir wollen ferner die Internationalen Polizeimissionen ausweiten, damit die Polizei mit ihrer Expertise und ihren Fähigkeiten dazu beitragen kann, dass kriegerische Konflikte außerhalb Europas friedlich gelöst werden können. Im besten Fall können so auch rechtsstaatliche Strukturen gefördert und damit letztlich auch Fluchtursachen vor Ort bekämpft werden.

Unsere Entwicklungszusammenarbeit hat die Befähigung zu stabiler Staatlichkeit sowie eigenständiger sozialer, nachhaltiger und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zum Ziel. Eine Zweckentfremdung der Mittel, etwa um ausschließlich auf Migrationsbewegungen Einfluss zu nehmen, lehnen wir genauso ab, wie das Einsetzen von Entwicklungsgeldern für militärische Zwecke. Europa soll vielmehr eine Vorreiterrolle einnehmen bei der Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs). Ziel Nummer fünf, die Gleichstellung der Geschlechter, ist dabei für uns ein durchgängiges Prinzip. Die Fähigkeiten zur zivilen Krisenprävention und Konfliktbewältigung sowie die Programme zur Entwicklungszusammenarbeit müssen ausgebaut und mit ausreichend Ressourcen unterstützt werden. Wir stehen weiterhin zum Ziel, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Die Entwicklungszusammenarbeit wollen wir im Dialog mit den Staaten und den Zivilgesellschaften des globalen Südens ausgestalten.

Eine gemeinsame parlamentarisch kontrollierte europäische Armee. Der Ausbau der europäischen Verteidigungsfähigkeiten ist eine Voraussetzung für die Stärkung europäischer Souveränität und die richtige Antwort auf das Wiedererstarken des Nationalismus. Damit leisten wir auch einen Beitrag zur inneren Friedenssicherung. Um auch in Europa einen Rückfall in eine überkommene Aufrüstungslogik zu verhindern, setzen wir auf europäische Synergie, die eine effektive Konzentration der Verteidigungskräfte ermöglicht und damit eine generelle Erhöhung der Rüstungsausgaben unnötig macht. Der Einsatz darf nur durch das Europäische Parlament genehmigt werden. Ein neu zu schaffender Verteidigungsausschuss im Europäischen Parlament sichert die Kontrollrechte der Abgeordneten und begleitet parlamentarisch den Prozess der Integration der europäischen Streitkräfte.

Synergien statt pauschaler Erhöhung der Rüstungsausgaben und restriktive Exportkontrolle. Wir lehnen die pauschale Erhöhung der Rüstungsausgaben ab. Gleichzeitig wollen wir unsere Soldatinnen und Soldaten mit moderner Ausrüstung versorgen. Dafür setzen wir auch hier auf europäische Synergie durch den Aufbau einer gemeinsamen Beschaffungspolitik. Dafür führen wir auch eine gemeinsame restriktive Kontrolle von Rüstungsexporten ein, die durch ein parlamentarisches Kontrollgremium mit überwacht wird und Verstöße hart sanktioniert. Wir wollen keine Rüstungsexporte in Krisengebiete und Diktaturen. Wir brauchen eine europäische Regelung für Rüstungsexporte, die eindeutig und verbindlich ist sowie restriktive Grenzen setzt.

Zusammenarbeit mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stärken. Die OSZE wollen wir als Instrument der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung stärken und weiterentwickeln. Gerade auch in diesem Rahmen gilt es eine neue europäische Ostpolitik zu entwickeln. Trotz aller Rückschläge und Probleme im Verhältnis zu Russland ist klar: Dauerhafter Frieden in Europa ist nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich. Deshalb ist es wichtig, trotz Differenzen im Dialog zu bleiben. Dafür nutzen wir auch die gewachsenen Strukturen der Ostseekooperation, in die Russland als Partner eingebunden ist.

1. Mit fairer Handelspolitik Globalisierung sozial gestalten

Ein fairer offener Welthandel ist die Grundlage für eine gerechte Verteilung des Wohlstands. Er ist auch Garant für Frieden, Stabilität und Grundlage funktionierender Staatlichkeit. Europa muss treibende Kraft sein, die Verflechtung des Welthandels sozial, ökologisch und transparent zu gestalten.

Was wir machen:

Internationale Regeln stärken. Wir werden weiterhin für ein gerechtes internationales Regelwerk im Rahmen der Welthandelsorganisation und von Handelsverträgen arbeiten, damit weltweit dem Recht Geltung verschafft wird und nicht das Recht des Stärkeren die Oberhand gewinnt.

Schutz der Arbeitsplätze vor Handelsstreitigkeiten. Ein starkes Europa ist für uns Garant dafür, die europäische und auch die deutsche Industrie gegen unfaire Handelspraktiken zu schützen. Sei es Billig-Stahl aus China oder US-Strafzölle – wir schützen die heimischen Arbeitsplätze mit effektiven Handelsschutzinstrumenten.

Kein Zwang zur Privatisierung und Deregulierung der öffentlichen Güter. Unser sozialdemokratisches Grundverständnis ist, dass die öffentliche Daseinsvorsorge durch internationale Handelsabkommen nicht ausgehöhlt werden darf. Rekommunalisierungen dürfen nicht durch das Handelsrecht verhindert werden.

Handelsabkommen mit verbindlichen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards. Die Europäische Union muss ihren internationalen Handelspartnern auf Augenhöhe begegnen und mit ihrer Handelspolitik zu beiderseitigem Vorteil sowie wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung beitragen. Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Handelsabkommen bindende Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung enthalten. Menschenrechte und internationale Vereinbarungen wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder das COP21-Klimaabkommen müssen umgesetzt werden. Bei ihrer Verletzung sollen Sanktionen greifen. Um den Welthandel insgesamt ökologischer, sozialer und transparenter zu gestalten, muss unser Augenmerk wieder auf multilaterale Verträge gerichtet werden. Dazu muss die WTO gestärkt und umgebaut werden. Wir wollen innerhalb der internationalen Organisationen und darüber hinaus eine Weltwirtschaftsordnung schaffen, die den Staaten des globalen Südens eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung auch bei Beteiligung am Welthandel ermöglicht und bestehende Machtasymmetrie im internationalen Handel beseitigt. Dazu gehört, dass die EU verzerrende Subventionspraktiken beendet.

EU-Aktionsplan „Menschenwürdige Arbeit in globalen Lieferketten“. Wir wollen einen EU-Aktionsplan „Menschenwürdige Arbeit in globalen Lieferketten“ (ähnlich wie in Deutschland) in der Verantwortung der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration verankern. Sorgfaltspflichten und verantwortliches Unternehmenshandeln in globalen Lieferketten müssen verbindlich werden. Alle Mitgliedsstaaten sollen verpflichtet werden, in nationalen Aktionsplänen verantwortliches Unternehmenshandeln in globalen Lieferketten zu stärken.

Die Europäische Union muss sich als Ganze der Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsarbeit, schwerwiegenden Arbeitsunfällen und Kinderarbeit verschreiben und die Initiative Alliance 8.7 gemeinsam unterstützen.

2. Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik humanitär und solidarisch

Flucht und Vertreibung nehmen weltweit zu und machen an den Grenzen Europas nicht halt. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. Wir wollen, dass sich alle Mitgliedsstaaten Europas ihrer humanitären Verantwortung stellen und flüchtenden Menschen in Not Schutz und Zuflucht bieten. Europa muss Fluchtursachen bekämpfen und nicht Flüchtlinge. Wir wollen legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen, als Grundlage einer geordneten Zuwanderung.

Was wir machen:

Eine Reform des Dublin-Systems, die Kriegsflüchtlinge schützt und das Recht auf Asyl vollumfänglich gewährt. Das Wahren des Asylrechts ist eine gemeinsame europäische Aufgabe, die solidarisch erfüllt werden muss. Sie darf nicht allein auf diejenigen Staaten mit einer Außengrenze verlagert werden. Deshalb wollen wir das Dublin System durch einen solidarischen Verteilungsschlüssel ersetzen. Bis zur Verabschiedung der Reform müssen einzelne aufnahmewillige Staaten oder Städte besser unterstützt werden.

Ausweitung des EU Resettlement-Programms und verbindliche Umsetzung der Kontingentziele in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Die kontrollierte Aufnahme von Flüchtlingen in den europäischen Staaten verbessert die Lebensumstände aller Schutzsuchender in den Flüchtlingslagern des UNHCR. Migrationspartnerschaften, bei denen Staaten außerhalb der EU nur dafür bezahlt werden Migrantinnen und Migranten an der Durchreise zu hindern, lehnen wir ab.

Vereinheitlichung und Beschleunigung von Asylverfahren und gemeinsames Handeln bei der Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Asylbewerbern. Der Anreiz für freiwillige Rückkehr soll mit finanziellen Hilfen für den Neustart im Herkunftsland erhöht werden. Wir halten daran fest, dass Abschiebungen in Länder nicht erfolgen, in denen für die Menschen die unmittelbare Gefahr besteht, Opfer eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes zu werden.

Einführung eines europäischen Integrations- und kommunalen Entwicklungsfonds. Städte und Kommunen, die sich bereit erklären Geflüchtete aufzunehmen, sollen bei den Integrationskosten und zusätzlich in gleicher Höhe bei kommunalen Entwicklungskosten finanziell unterstützt werden. In Multi-Stakeholder Beiräten sollen die Bürgerinnen und Bürger dabei über die Aufnahme von Flüchtlingen mitbestimmen.

Mehr europäische Regeln für legale Zuwanderung schaffen. Auch um das Sterben auf dem Mittelmeer und auf anderen Fluchtrouten zu beenden, brauchen wir einheitliche und einfache Regelungen für legale Zuwanderung nach Europa, die sich nicht ausschließlich an ökonomischen Kriterien orientiert. Als Vorbild kann hier die deutsche Regelung für eine vereinfachte Arbeitsmigration für den Westbalkan dienen.

Konzept für humanitäre Visa erstellen. Für Schutzsuchende wird der Weg nach Europa oft zum Grab. Wir wollen, dass das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) ein Konzept für gemeinsame europäische humanitäre Visa vorlegt im Rahmen einer vorbehaltlich legalen Zuwanderung.

Europäische Seenotrettung. Alle Mitgliedsstaaten haben ihren Beitrag für eine leistungsfähige Seenotrettung im Mittelmeer zu leisten. Wir wollen, dass die EU die Seenotrettung stärker koordiniert und die Mitgliedstaaten dabei finanziell, technisch und personell unterstützt. Private Hilfsorganisationen dürfen nicht kriminalisiert werden, sie sollen aufgenommene Flüchtlinge unmittelbar in europäische Häfen ausschiffen dürfen.

Wir lehnen die Idee von „Ausschiffungsplattformen“ in den nordafrikanischen Transitländern ab.

Mit fairer Handels-, Agrar- und Fischereipolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit Fluchtursachen bekämpfen. Immer mehr Menschen sind zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen, weil sie sich und ihre Familien nicht mehr ernähren können. Mit einer fairen Handels-, Agrar- und Fischereipolitik sowie einer wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit, die soziale und ökologische Ziele mit wirtschaftlichen Zielen gleichsetzt, wollen wir Fluchtursachen bekämpfen und eine eigenständige Entwicklung des globalen Südens ermöglichen.

Schutz der europäischen Außengrenzen vor illegaler Zuwanderung und konsequente Bekämpfung von Schlepperbanden und von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen und Arbeitsausbeutung, um vor allem Kinder und Frauen zu schützen.

IX. Mehr Vertrauen in Europas Demokratie und Institutionen

Europa braucht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine starke, funktionierende Demokratie. Sie muss dringend bürgernäher und noch verständlicher werden. Dieses Vertrauen gewinnen wir nur, wenn die Entscheidungsfindung in Europa mehr Mitsprache ermöglicht, gute Ergebnisse und den sozialen Fortschritt für alle bringt. Das Herzstück der europäischen Politik muss das Voranbringen des europäischen Einigungsprojektes sein. Wir wollen deshalb die europäische Demokratie und die Gemeinschaftsinstitutionen stärken, denn sie sind die Garanten dafür, dass nicht nationale Egoismen, sondern das gemeinsame europäische Interesse im Vordergrund steht.

Bürgerinnen und Bürger sollen mit entscheiden, das Parlament muss stärker werden und eine europäische Öffentlichkeit soll über politische Entscheidungen streiten. Dazu gehören auch starke, gut ausgestattete nationale Parlamente mit transparenten Verfahren und Rechten für die Opposition. Die nationalen Parlamente stellen durch ihre Mitwirkung am EU-Gesetzgebungsprozess einen unabdingbaren Bestandteil des europäischen Demokratieprinzips dar und sind eine wichtige Säule der europäischen Öffentlichkeit. Das Zusammenspiel zwischen den nationalen Parlamenten und einem gestärkten Europäischen Parlament bildet die Grundlage für einen friedlichen Kontinent, der Demokratie lebt und der nicht gegeneinander, sondern miteinander handelt. So tragen wir das große Erbe Europas ins 21. Jahrhundert. Zukünftige Generationen sollen dann nicht nur wie Europäerinnen und Europäer reisen, sondern selbstverständlich wie Europäer fühlen, denken und leben.

1. Ein starkes Europäisches Parlament

Das Europäische Parlament ist der zentrale Ort für die Vertretung der Menschen in Europa, für politische Debatten und Entscheidungen. Seit 40Jahren wird es alle fünf Jahre direkt von den Bürgerinnen und Bürgern der EU gewählt. Als Vertretung dieser ist es endlich an der Zeit, dass das Europäische Parlament auf gleicher Höhe mit dem Rat der Ministerinnen und Minister steht. Eine Augenhöhe, die sich auch beim Thema Transparenzwiederspiegeln muss. Wir setzten uns dafür ein, dass das Parlament die Vielfalt Europas repräsentiert und dazu gehört für uns auch ein starkes Signal für die Gleichstellung von Frauen in Europa. Europawahlen müssen tatsächlich europäisiert und europäische Parteien gestärkt werden.

Was wir machen:

Echte europäische Spitzenkandidatinnen und -kandidaten. Wir wollen mehr europapolitische Debatten. Wir wollen Europawahlen mit europäischen Themen und mit europäischen Parteien. Die Wählerinnen und Wähler sollen einfacher erfahren können, welche Partei im Europäischen Parlament für welche Inhalte steht.

Dazu leistet der pointierte politische Wettstreit der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten um das Amt des Kommissionspräsidenten, der -präsidentin einen wichtigen Beitrag.

Die Einführung von europäischen Wahllisten. Europawahlen sind zurzeit 28 nationale Wahlen für das Europäische Parlament. Europäische Spitzenkandidaten sollen nicht nur in ihren Mitgliedsstaaten gewählt werden können so wie heute. Sondern in allen Mitgliedsstaaten. Dafür wollen wir transnationale Listen bei der Europawahl und führen ein Zweistimmen-Wahlsystem ein: Eine Stimme für eine transnationale Liste, die von der europäischen Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat angeführt wird, die sich um die Präsidentschaft der Europäischen Kommission bewerben. Mit der zweiten Stimme werden wie bisher die Kandidatinnen und Kandidaten auf der nationalen Liste für das Europäische Parlament gewählt.

Gesetzesinitiativerecht des Europäischen Parlaments. Wir wollen, dass die europäischen Volksvertreterinnen und Volksvertreter selbst Initiativen starten können für Gesetzesvorhaben. Bisher beschränkt sich das Initiativrecht des Europäischen Parlaments auf die Möglichkeit, die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags aufzufordern. Nur die Europäische Kommission hat das Recht EU-Gesetzesvorschläge auf dem Weg zu bringen.

Untersuchungs- und Kontrollrecht des Europäischen Parlaments. Wir setzen uns für die Einführung eines gestärkten Untersuchungsrechtes für das Europäische Parlament ein. Untersuchungsausschüsse müssen insbesondere die Möglichkeit erhalten, Personen vorzuladen, damit das Parlament Missstände besser aufarbeiten und die Exekutive wirksamer kontrollieren kann. Die Instrumente des Europäische Parlaments, einzelne Kommissionsmitglieder während der gesamten Dauer ihrer Amtszeit zur Rechenschaft zu ziehen, sollten verbessert werden. Bei groben Fehlverhalten sollte das Europäische Parlament nicht nur der gesamten Kommission, sondern auch einzelnen Mitgliedern mit qualifizierter Mehrheit das Misstrauen aussprechen können.

Mehr Transparenz durch verbindliches Lobbyregister für alle EU-Institutionen. In Europa gibt es lange Transparenz darüber, welche Verbände, Firmen und Vereine im Europäischen Parlament versuchen ihren Einfluss geltend zu machen. Dieses Transparenzniveau wollen wir für alle EU-Institutionen. Damit wollen wir auch Vorbild sein für Regelungen in den Mitgliedstaaten.

Mehrheitsprinzip bei allen Entscheidungen im EU-Ministerrat verstärken. Europa muss noch an vielen Stellen zu deutlich schnelleren und effizienteren Entscheidungen kommen. Zu oft gilt noch das Prinzip der Einstimmigkeit. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit Europas gelähmt. Künftig sollen wichtige Gesetzgebungen nicht mehr durch einzelne Mitgliedstaaten blockiert werden können.

2. Die europäische Öffentlichkeit stärken und Teilhabe an der Demokratie fördern

Um mehr Interesse an Europa zu wecken, müssen die Bürgerinnen und Bürger sich eine Meinung bilden sowie Entscheidungen nachvollziehen und an europäischen Debatten und Prozessen teilhaben können. Dazu müssen sie wissen, welche Institution, welche Mitgliedsstaaten und welche Abgeordnete verantwortlich sind und wofür sie stehen. Eine unabhängige und europäische Berichterstattung soll die Verhandlungen kritisch begleiten und Dialoge über Grenzen ermöglichen. Eine aktive europäische Zivilgesellschaft ist die Brücke zu den Bürgerinnen und Bürgern. Ihre Beteiligung war nie wichtiger als heute - ist die Europäische Union doch unter gewaltigem Druck von innen und von außen. Zivilgesellschaftliches Engagement ist für die europäische Integration unerlässlich. Europas Bürgerinnen und Bürger müssen nicht nur besser über „ihr“ Europa informiert werden. Sie brauchen Beteiligung über ihre europäischen Netzwerke und müssen in einen regelmäßigen Dialog einbezogen werden.

Was wir machen:

Das Wahlrecht mit 16 Jahren. Wie in Deutschland zur Bundestagswahl wollen wir mehr junge Menschen an Wahlen beteiligen. Wir wollen nicht über sie entscheiden, sondern mit ihnen. Dafür senken wir die Altersgrenze, ab der man wählen gehen kann auf 16 Jahre.

Europäische Jugendbeteiligung stärken. Besonders junge Menschen wollen die Zukunft Europas mitgestalten. Die EU-Jugendstrategie stellt den Rahmen, um die Jugendpolitik strukturell und ressortübergreifend zu stärken. Der EU-Jugenddialog, der federführend von Jugendorganisationen umgesetzt wird, muss als Partizipationsinstrument Wirkung entfalten und junge Menschen verbindlich beteiligen. Die von jungen Menschen erarbeiteten EU-Jugendziele sind eine einmalige Gelegenheit, die Beteiligung junger Menschen am europäischen Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen.

Politische Bildung in Europa verbessern. Die Anforderungen an politische Bildung steigen, auch und gerade in Europa. Deshalb gilt es, die Angebote der politischen Bildung zu stärken – in den Schulen, in der außerschulischen Jugendbildung und auch in der Erwachsenenbildung. Vor allem wollen wir hier die Zivilgesellschaft stärken, damit sie europäische Debatten begleiten, kommentieren und einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt in Europa leisten kann.

Europäische Bürgerinitiative stärken. Mit der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) können Bürgerinnen und Bürger die Europäische Kommission auffordern, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Wir wollen die Reform der EBI zügig voranbringen. Vor allem wollen wir das Mindestalter für eine Beteiligung auf 16 Jahre absenken.

In Gesetzgebungsverfahren mehr auf die europäische Zivilgesellschaft hören. Wir wollen im europäischen Gesetzgebungsprozess zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Vereine, NGOs, Jugendringe und –verbände, Projekte und Initiativen eine transparente und chancengleiche Einbindung ermöglichen. Uns geht es um einen gleichberechtigten Dialog aller Partner und Partnerinnen.

Einführung eines Europäischen Vereinsstatuts. Mit der Einführung eines europäischen Vereinsstatuts wollen wir für verlässlichere Förderstrukturen sorgen.

Förderung europäischer Medien, um eine wirkliche europäische Öffentlichkeit zu schaffen. Wir brauchen mehr europäische Öffentlichkeit, um mehr Informationen über Europa und ein stärkeres gemeinsames europäisches Bewusstsein entstehen zu lassen. Darüber hinaus benötigen wir einen europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für das 21. Jahrhundert. Hierfür sollte eine attraktive europaweite Plattform für vorhandene öffentlich-rechtliche Inhalte geschaffen und um genuin europäische Inhalte ergänzt werden. Passend dazu soll die EU Medienkonzepte fördern, die zum Ziel haben, die Sprachbarrieren in Europa zu überwinden und eine europaweite Informationsbeschaffung sowie einen grenzüberschreitenden Dialog zu ermöglichen. Zudem sollten in europäischer Kooperation überzeugende öffentlich-rechtliche Fernsehangebote auf Russisch, Türkisch und Arabisch entwickelt werden, die sich gleichermaßen an Einwanderer und Einwanderinnen sowie die Staaten der europäischen Nachbarschaft richten und damit die europäische Wertegemeinschaft befördern.

Wir wollen den Europatag 9. Mai zu einem gemeinsamen europäischen Feiertag umwandeln.