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Einsatzplanung
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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
  1. TOC {:toc}

Im Folgenden wird die spezifische Einsatzplanung für Gesundheitsbehörden in infektiologischen Gefahrenlagen vorgestellt und Prinzipien eingeführt.

Die Erstellung von Einsatzplänen für infektiologische Gefahrenlagen ist Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Einheitliche Vorgaben für die Erstellung der Pläne gibt es nicht. Allerdings existieren teilweise Rahmenpläne auf Bundesebene, wie z.B. für die Influenza-Pandemieplanung, sowie Ergänzungen zum Nationalen Pandemieplan - COVID 19 - neuartige Coronaviruserkrankung oder für den Ebolaverdachtsfall, die koordinierend vom RKI erstellt worden sind.

Daneben sind in einigen Bundesländern durch die obersten Landesgesundheitsbehörden Pläne für Virale hämorrhagische Fieber (VHF-Pläne), Infektionsalarmpläne bzw. Pläne für Viruserkrankungen mit großen Konsequenzen (High Consequence Infectious Diseases, HCID) erarbeitet worden. Alle Länder haben Pläne für eine Influenzapandemie erstellt. Ferner werden durch die Innenressorts der Länder Rahmenalarm- und Einsatzpläne für den Katastrophenschutz erstellt. Alle diese Pläne können als Grundlage für die spezifischen Planungen auf regionaler Ebene dienen.

Einsatzpläne für Krisensituationen werden häufig in Form von Rechtsvorschriften erstellt. Diese sind im Einsatzgeschehen schwer zu lesen und nicht nach den Gesichtspunkten gegliedert, wie es für den Einsatzfall nötig wäre. Häufig werden keine elektronischen Systeme für die Erstellung der Einsatzpläne genutzt. Die manuelle Erstellung und Pflege ist aufwendig. Deshalb ist der Aufwand der Aktualisierung erheblich. Dies führt dazu, dass Pläne nicht immer aktuell sind.

Die Inhalte der Pläne müssen vor einem Einsatz den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Schulungen vermittelt und möglichst in Übungen mit ihnen erprobt werden.

MERKE: Pläne werden nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn Inhalte regelmäßig aktualisiert und Nutzern in Schulungen vermittelt werden.

Ziele einer erfolgreichen Einsatzplanung

In einem Einsatzplan werden mögliche Maßnahmen beschrieben, die in einer besonderen Situation, z.B. Gefahrenlage bei einer Epidemie, durch die Mitarbeitenden einer Behörde umgesetzt werden müssen.

Einsatzpläne müssen aktuelle Informationen enthalten, selbsterklärend sein und nach einheitlichen Strukturen aufgebaut sein. Komplexe, unübersichtliche Pläne sind nicht zielführend. Checklisten und graphische Prozessdarstellungen erleichtern das Verständnis und ermöglichen eine schnelle Orientierung im Einsatzfall.

Für Einsatzpläne hat sich folgende Strukturierung bewährt:

{% include image.html url="images/8b61e4e6-c138-486a-a508-066aafcec607.jpg" description="Abbildung 1: Struktur eines Einsatzplanes" %}

In der Abbildung sind einzelne Punkte eines Einsatzplans in Form eines Ablaufschemas dargestellt. Sie können als Gliederung für einen Einsatzplan verwendet werden.

Im Folgenden werden die einzelnen Unterpunkte eines Einsatzplans erläutert.

Risikobewertung

Neben der allgemeinen Risikobewertung zum Bevölkerungsschutz, die die Landkreise/kreisfreien Städte bzw. Länder durchführen müssen, sollten die verantwortlichen Gesundheitsbehörden für ihre Region eine fachspezifische Risikobewertung im Bevölkerungsschutz vorbereitend durchführen.

Auf Basis dieser Risikobewertung ist im Einsatzfall von der Gesundheitsbehörde eine ereignisspezifische Analyse durchzuführen, bevor die Einsatzmaßnahmen eingeleitet werden. Bei Bedarf sind andere Behörden zu beteiligen. In einer solchen Risikoananalyse können beispielhaft folgende Faktoren berücksichtigt werden:

  1. Anzahl der Betroffenen

  2. Mortalität/Letalität

  3. örtliche Ausbreitung

  4. Ausbreitungswahrscheinlichkeit

  5. Ausbreitungsdynamik

  6. Art des Agens ( biologisch, chemisch, ....)

Szenarienspezifische Kommunikation

Für die Kommunikation mit Partnern, der Bevölkerung oder der Presse muss in besonderen Gefahrenszenarien jeweils spezifisch festgelegt werden, wer die Federführung hat und verantwortlich ist, welche Strategie eingesetzt wird und welche anderen Behörden und Einrichtungen beteiligt werden müssen. Ferner sind die grundsätzlichen Ziele der Kommunikation, die konkreten Inhalte sowie Instrumente der Pressarbeit und die Zielgruppen zu bestimmen. (siehe Kapitel: Kommunikation)

Neben der Kommunikation mit externen Partnern ist auch zu beachten, dass innerhalb einer Behörde die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert werden. Im Krisengeschehen sollten alle ausreichend informiert sein, um in angespannten Arbeitssituationen Verständnis für die besondere Lage zu haben.

Alarmierung

Die regionalen Gesundheitsbehörden erhalten im Einsatzfall in der Regel ihre Alarmierung über verantwortliche Leitstellen, obere und oberste Landesgesundheitsbehörden werden häufig über zentrale Stellen, z.B. das Lagezentrum der Polizei, informiert.

In den Gesundheitsbehörden sind die internen Alarmierungs- und/oder Benachrichtungsverfahren für das eigene Personal und ggf. für zu beteiligende weitere Einrichtungen zu planen. Sinnvollerweise sollte auf bestehende Alamierungssysteme in Behörden zurückgegriffen werden. Unter Umständen kann man bei Dritten, z.B. Leitstelle der Feuerwehr, eigene Alarmierungskreise einrichten lassen, sodass das amtsinterne Personal des Gesundheitsamtes ohne weiteren Aufwand auf direktem Weg durch technische Hilfsmittel alamiert wird. Alarmierungs- und Benachrichtigungslisten sind regelmäßig zu aktualisieren. Alarmierungsübungen können genutzt werden, um die Aktualität der professionellen und privaten Kontaktdaten zu überprüfen.

Meldewege

In Ereignissen mit krisenhaftem Charakter ist das frühzeitige Erkennen, Validieren und Bewerten einer Lage Voraussetzung für die schnelle Einleitung von spezifischen Kontroll- und Präventionsmaßnahmen. Gemäß Art. 6 der Internationalen Gesundheitsvorschriften

(IGV) und gemäß Art. 9 des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren

vom 22. Oktober 2013 ist Deutschland rechtlich verpflichtet, unverzüglich Ereignisse international zu melden, die eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstellen können oder die eine schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr darstellen. Die Übermittlung dient der Frühwarnung, der Bereitstellung von Informationen für eine rasche Bewertung, der frühzeitigen Information aller Akteure und ggf. einer gemeinsamen Koordinierung. Sie erfolgt vom Gesundheitsamt über die zuständige Landesbehörde an die nationale Bundesbehörde.

Dies ist für

  • biologische Ereignisse das RKI

  • für chemische Ereignisse das BBK und

  • für radiologisch-nukleare Ereignisse das BMU.

Für Übermittlungen im biologischen Bereich stellt das RKI einen Übermittlungsbogen zur Verfügung; eine Vorlage für Übermittlungen von Gefahren im chemischen Bereich gibt es vom BBK.

Gemäß IGV Anlage 2 (siehe Abbildung 2) sind das Auftreten von Pocken, Poliomyelitis (verursacht durch den Wildtyp), humaner Influenza (verursacht durch ein neuartiges Virus) und des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS) auf jeden Fall zu melden.

"Am 30.01.2020 hat die WHO den Ausbruch (von COVID-19) zur gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite erklärt und eine koordinierte und intensivierte internationale Ausbruchsbekämpfung entsprechend den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV/IHR) als zwingend notwendig erachtet, auch um Länder mit schwächerem Gesundheitssystem besser zu unterstützen." (COVID-19, Informationen für Beschäftigte und Reisende, Auswärtiges Amt, Stand 28.02.2020)

Das Auftreten von Cholera, Gelbfieber, Lungenpest, viralem hämorrhagischen Fieber oder West-Nil-Fieber sowie andere Ereignisse, die von internationaler Tragweite für die öffentliche Gesundheit sein können, sind unter bestimmten Umständen an die WHO zu melden.

{% include image.html url="images/ccc4b3a2-99b9-464c-bbf0-bcaa6482ac57.png" description="Abbildung 2: Entscheidungsschema zur Bewertung und Meldung von Ereignissen im Rahmen der IGV (Quelle: BKK)" %}

Das Gesundheitsamt unterrichtet über die zuständige Landesbehörde die nationale Ebene, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass ein Ereignis nach den Kriterien der Anlage 2 der IGV eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstellen könnte.

Die abschließende Bewertung, ob ein Ereignis an die Weltgesundheitsorganisation oder die verantwortlichen Behörden der Europäischen Union zu melden ist, erfolgt durch die jeweilige Bundesbehörde.

Führungsorganisation

Mitarbeitende der Gesundheitsbehörden müssen über die allgemeine Führungsorganisation für Großschadenslagen und Katastrophen informiert sein (siehe: Kapitel Stabsarbeit).

In Einsatzplänen der involvierten Gesundheitsbehörden muss die Führungsverantwortung für spezielle Szenarien festgelegt werden. Diese Verantwortung muss eindeutig sein. Bei mehreren beteiligten Behörden müssen Zuständigkeiten klar geregelt sein.

Dabei ist es bei einem Einsatz an Ereignisorten sinnvoll, dass die Führungskraft des Gesundheitsamtes, optisch für alle Beteiligten, z.B. durch eine Weste, erkennbar gekennzeichnet ist.

Akteure und Aufgaben

Abhängig vom Szenario werden unterschiedliche Akteure, wie Individuen und Institutionen, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten im Ereignisfall tätig. In dem Einsatzplan muss ersichtlich sein, welcher Akteure für welche Aufgaben verantwortlich bzw. zuständig ist. Dabei ist auch festzulegen, wer die Federführung bei bestimmten Aufgaben hat und wer mitwirkt.

Einsatzmaßnahmen

Die Einsatzmaßnahmen sind abhängig vom jeweils vorliegenden Szenario. In der Toolbox dieses Handbuches sind eine Reihe von Handlungsempfehlungen dargestellt (siehe Kapitel: Toolbox).

Einsatzmaßnahmen können durch gesetzliche Regelungen bedingt sein. Im Bereich des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ergeben sie sich z.B. aus dem Infektionschutzgesetz, der Trinkwasserverordnung bzw. aus den Gesundheitsdienstgesetzen der Länder. Andere Maßnahmen, auch ohne gesetzliche Grundlage, müssen individuell in den Einsatzplänen festgelegt werden.

Nicht alle Einsatzmaßnahmen werden zwingend in einem tatsächlichen Geschehen zur Anwendung kommen. Andere wiederum werden spontan nötig werden und sind ggf. nicht vorgeplant.

Die Toolbox des Handbuches ist als Werkzeugkasten zu verstehen, aus dem im Einsatz das richtige Werkzeug individuell entnommen werden kann. Einsatzmaßnahmen, die nicht beschrieben sind, müssen von der verantwortlichen Stabsorganisation flexibel organisiert und angewendet werden.

Logistik und Koordination

Die Koordination logistischer Maßnahmen kann im Einsatzfall viel Personal binden. Proben- und Entsorgungsmanagement können beispielhaft als Aufgaben im Bereich der Logistik benannt werden. Deshalb sollte der Schwerpunkt einer gute Einsatzplanung in diesem Bereich liegen, um im Krisengeschehen eine Entlastung zu erfahren.

Ressourcen

In manchen Situationen werden die benötigten Ressourcen von Dritten bereitgestellt. Hierzu gehören u.a Versorgungsmöglichkeiten im Krankenhaus, die Verfügbarkeit von Impfstoffen und Antidota. Wer, was, wann bereitstellt, sollte als Information in Einsatzplänen aufgenommen sein, da eine Abfrage im Einsatzfall viel Zeit kostet und daher unbedingt vermieden werden muss.

Andererseits müssen bestimmte Materialien, die im Einsatzfall nicht lieferbar sind, bzw. schnell zur Engpassressource werden, in den Gesundheitsbehörden vorgehalten werden. Ein wichtiges Beispiel ist hier die sogenannte Persönliche Schutzausrüstung (PSA).

Checklisten für den Einsatz

Eine sinnvolle und wichtige Maßnahme für einen geordneten Betrieb sind Checklisten, in denen schriftlich fixiert ist, welche Informationen wann benötigt bzw. abgefragt werden müssen. Ein gutes Beispiel sind Checklisten in der Luftfahrt, die Piloten vor Abflug eines Flugzeuges durchgehen.

Im Krisenfall geben Checklisten eine wichtige Handlungssicherheit. Sie schaffen die Möglichkeit, intuitives Handeln und die Vollständigkeit von getroffenen Maßnahmen zu überprüfen. Im Handbuch werden Checklisten an verschiedenen Stellen zur Unterstützung für die handelnden Gesundheitsbehörden zur Verfügung gestellt.