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Stabsarbeit |
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► Inhaltsverzeichnis Kapitel (ausklappbar)
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Die etablierten Verwaltungsstrukturen der Gesundheitsämter, aber auch der anderen Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, sind in der Regel nicht vorbereitet, um die Herausforderungen z.B. einer infektiologischer Gefahrenlage bzw. Krisensituation unverzüglich, fehlerfrei und in einer einheitlichen Führung zu bewältigen. Um den Anforderungen gerecht zu werden, bietet es sich auch für die Behörden des ÖGD an, bei solchen Ereignissen, im Stabsmodus zu arbeiten. Das Arbeiten in den Strukturen eines Arbeits- bzw. Krisenstabes ähnelt der Arbeit in Projekten. Unter einer einheitlichen Führung ist die Erfüllung von Aufgaben zu überwachen, Termine sind zu koordinieren und Entscheidungen sind zu dokumentieren.
Neben den Maßnahmen zur (Krisen-)Bewältigung der dringlichen Aufgaben, die sich z.B. aus einer akuten infektiologischen Gefahrenlage ergeben, muss gewährleistet sein, dass auch alle anderen unverzichtbaren hoheitlichen Aufgaben (Ausbruchsmanagement, Leichenschau, Meldewesen u.ä.) ggf. mit reduziertem Personal/Ressourcen sichergestellt werden können. Dazu ist eine Aufgabenpriorisierung unverzichtbar.
Bei einer stabsmäßigen Arbeit im Gesundheitsamt bzw. anderer Behörden im ÖGD sollten die Strukturen berücksichtigt werden, die im Kreis, in der Stadt bzw. im Land für die Gefahrenabwehr und den Katastrophenschutz vorhanden sind. Es ist zu klären, ob in einer Gesundheitslage die Führung vom Gesundheitsbereich übernommen wird. Hierzu gibt es unterschiedliche Modelle in den Ländern. Teilweise liegt die Federführung im Gesundheitsbereich, teilweise werden gemeinsame Stäbe von Gesundheits- und Innen-/Katastrophenschutzbereich gebildet.
Zur Bewältigung von Schadenslagen und Katastrophen gibt es drei relevante Komponenten der Führung:
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die politisch gesamtverantwortliche Komponente,
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die operativ-taktische Komponente und
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die administrativ-organisatorische Komponente.
Diese Strukturen finden sich weigehend gleichartig auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland wieder.
{% include image.html url="images/b1c6adc6-40ab-49ab-878a-1edadaecc784.jpg" description="Abbildung 3: Komponenten der Führung" %}
Die politisch-gesamtverantwortliche Leitung (z.B. Bürgermeister/in, Landrät/in, Minister/in) wird insbesondere bei weiträumigen und länger andauernden Großschadensereignissen oder in Katastrophenfällen, aber auch bei infektiologischen Gefahrenlagen nötig. In diesem Rahmen hat die politische Gesamtverantwortung die Aufgabe zur Veranlassung und Verantwortung sowohl von Einsatzmaßnahmen (operativ-taktisch) als auch Verwaltungsmaßnahmen (administrativ-organisatorisch). Zur Erledigung der Maßnahmen dienen – je nach Landesregelung - entweder zwei getrennte Stäbe (Führungsstab bzw. Katastrophenschutzstab und Verwaltungsstab) oder ein Gesamtstab, in dem beide Aufgabenbereiche integriert sind.
Auf operativ-taktischer Ebene kommt als Führungsmittel bei Schadenslagen unterhalb der Katastrophenschwelle, d.h. bei Großschadenslagen, der „Führungsstab“ und bei größerer Schadenslagen oberhalb der Katastrophenschwelle der „Katastrophenschutzstab“ zum Einsatz. Beide Stäbe sind in der Regel mit den gleichen Personen besetzt; die Anzahl der Stabsmitglieder kann jedoch bei einem Führungsstab geringer sein. Stabsstrukturen wachsen parallel zum Umfang eines Schadensereignisses auf.
Alle Katastrophenschutzorganisationen (Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei/ Ordnungsbehörden und Hilfsorganisationen) in Deutschland arbeiten im Einsatz, also auch im Stab, nach einer gleichartigen Dienstvorschrift (z. B. Feuerwehr-Dienstvorschrift „Führung und Leitung im Einsatz“ (FwDV 100). Damit sich die Gesundheitsbehörden in diesem System der Führungstruktur zurechtfinden, ist eine frühzeitige Einbindung in das Gefahrenabwehrsystem sinnvoll.
Die jeweilige Dienstvorschrift ist für alle Gefahrenabwehrbehörden das Führungsinstrument auf der Stadt- bzw. der Landkreisebene zur Bewältigung größerer Schadenslagen und Katastrophen. Durch die Dienstvorschrift werden alle Vertreter der wesentlichen Bereiche der Gefahrenabwehr und Gesundheitsvorsorge gleichermaßen verantwortlich in eine einheitliche Führung eingebunden.
Ein Führungs- bzw. Katastrophenschutzstab **** beschäftigt sich mit allen anfallenden operativ-taktischen Maßnahmen, z.B. Abschnittsbildung, Bereitstellen von Einsatzkräften und Reserven oder dem Aufbau und Betrieb einer Kommunikationsstruktur.
{% include image.html url="images/aacd8b75-22dc-4975-8657-87812430b3ed.jpg" description="Abbildung 4: Aufbau und Gliederung eines Führungsstabs" %}
Generell sind in beiden Stäben folgende Sachgebiete (S) zu besetzen:
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S 1 (Personal) steuert alle operativen Einsatzkräfte.
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S 2 (Lage) trägt alle erforderlichen Fakten zur Beurteilung der Lage zusammen. Zum Sachgebiet S 2 gehören auch die Funktionen Einsatztagebuch und Sichtung.
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S 3 (Einsatz) koordiniert und überwacht alle Einsatzaufträge. Diesem Sachgebiet ist auch die Funktion Auftragskontrolle zugewiesen.
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S 4 (Logistik) steuert die gesamte Logistik und das benötigte Material.
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S 5 (Presse- und Medienarbeit) koordiniert die Presse- und Medienarbeit mit allen Beteiligten.
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S 6 (IT und Kommunikation) stellt die IT und die gesamte Kommunikationtechnik bereit.
Das Gesundheitsamt kann in Ereignissen (z.B. Austritt einer chemischen Substanz) als Fachberatung und Verbindungsperson in dem Führungsstab bzw. Katastrophenschutzstab vertreten sein.
Die oben genannten Stabsfunktionen werden im Abschnitt "Aufgaben der Stabsfunktionen" detaillierter beschrieben.
Neben Führungs- bzw. Katastrophenschutzstäben kann es - je nach Regelungen der Länder - als eine eigenständige Einheit oder zusammen mit dem Führungs- bzw. Katastrophenschutzstab einen Verwaltungsstab geben. Wenn beide Stäbe zusammen tätig werden, bilden sie eine Einheit. Während der Führungs- bzw. Katastrophenschutzstab die taktisch-operative Komponente abdeckt, beschäftigt sich der Verwaltungsstab mit dem administrativ-organisatorischen Teil der Katastrophenschutzleitung. Er soll unter zeitkritischen Bedingungen und unter Beachtung aller notwendigen Gesichtspunkte, Entscheidungen treffen, für die aufgrund rechtlicher Vorgaben, finanzieller Zuständigkeiten und politischer Rahmenbedingungen der Führungs- bzw. Katastrophenschutzstab nicht zuständig ist. Hierzu zählen z.B. Entscheidung zur Schließung von öffentlichen Einrichtungen.
Um hierfür eine länderübergreifende, einheitliche Organisationsform zu ermöglichen, gibt es das Dokument "Hinweise zur Bildung von Stäben der administrativ – organisatorischen Komponente". Diese Hinweise gelten auch hier sowohl für die Stabsarbeit bei Großschadenereignissen als auch für Katastrophenfälle. Einige Länder setzen diese Komponente bereits für Ereignisse unterhalb der Schwelle eines Großschadensereignisses ein.
Gemäß den Hinweisen sitzen im Verwaltungsstab alle zur Bewältigung der Schadenlage notwendigen beziehungsweise zuständigen Ämter der eigenen Verwaltung, anderer Behörden und Dritte mit relevanten Kenntnissen. Neben ständigen Mitgliedern des Stabes (SMS), zu denen u.a. auch das Gesundheitsamt- bzw. die Gesundheitsbehörde als Fachberater gehört, gibt es ereignisspezifische Mitglieder des Stabes. Dieses können auch Nicht-Regierungs-Akteure (z.B. Stromanbeiter bei einem Stromausfall) sein. Abbildung "Struktur eines Verwaltungsstab" gibt einen Überblick über die Zusammensetzung eines Verwaltungstabs:
{% include image.html url="images/1d4083da-3db7-4899-8c50-b4d87d249840.jpg" description="Abbildung 5: Struktur eines Verwaltungsstabes" %}
Die „Leitung des Stabes“ ist verantwortlich für die Leitung und die Koordinierung des Verwaltungsstabes, trifft Entscheidungen über die zu treffenden Maßnahmen, legt Ziele fest und entscheidet über die Einberufung weiterer lagespezifischer Mitglieder in den Stab. Sollte die politische Verantwortlichkeit nicht bei der Leitung des Verwaltungsstabes liegen, entscheidet die Leitung des Stabes, welche Maßnahmen innerhalb des Stabes und welche durch die politische Gesamtverantwortung bestimmt werden.
Die Koordinierungsgruppe Verwaltungsstab (KGS) setzt sich aus dem Bereichen „Innerer Dienst“ und „Lage und Dokumentation“ zusammen. Der „Innere Dienst“ alarmiert Stabsmitglieder, erstellt und aktualisiert ggf. die Stabsdienstordnung, Alarmierungs-und Erreichbarkeitslisten und stellt die Arbeitsfähigkeit des Stabs sicher, d.h. Versorgung, Nachbestellung von Materialien, Organisation von Räumen und Besprechungen. Der KGS-Bereich „Lage und Dokumentation“ beschäftigt sich u.a. mit dem Anfordern, Sammeln, Auswerten, der Dokumentation von Lageinformationen und Meldungen sowie mit der Führung des Einsatztagebuchs und der Darstellung der Lage und von Prognosen zur voraussichtlichen Lageentwicklung.
Die Funktion „Bevölkerungsinformation und Medienarbeit (BuMA)“ koordiniert, betreut und informiert die Presse und andere Medien, z.B. durch die Erstellung von Presseinformationen, Auswertung von Pressemiteilungen oder Einrichten eines Bürgertelefons.
„Ständige Mitglieder des Stabes (SMS)“ bewerten das Ereignis aus ihrer fachlichen Sicht, stellen Probleme und Gefährdungen aus ihrer Sicht dar und erarbeiten Möglichkeiten und Vorschläge für zweckdienliche Maßnahmen. Die SMS sind entscheidungsbefugte Vertreter aus notwendigen Ämtern, Behörden oder von Dritten. In der Regel sind die Bereiche Sicherheit und Ordnung, Katastrophenschutz, Gesundheit, Umwelt, Polizei und Soziales vertreten. Je nach Lage können weitere Fachbereiche einbezogen werden, wie Bau- und Wohnungsaufsicht (z.B. bei Bränden), Schulamt etc. Darüber hinaus gibt es eine Verbindungsperson zum Führungsstab.
Genauso wie die SMS bringen „Ereignisspezifische Mitglieder des Stabes (EMS)“ ihre spezifischen Kenntnisse in die Lagebewertung und Lagebewältigung mit ein. Sie werden je nach Lage ausgesucht und bestehen aus entscheidungsbefugten Vertretern von Ämtern der eigenen Verwaltung, Behörden, Gemeinden oder fachkundigen Dritten. Zu letzteren zählen zum Beispiel Feuerwehr; Hilfsorganisationen, THW, Bundeswehr, Energieversorger und Verkehrsunternehmen. Die EMS-Vertreter können ihre Aufgabe teilweise innerhalb ihres normalen Arbeitsbereiches erledigen und müssen nicht ständig im Verwaltungsstab anwesend sein.
Einen Überblick über die Zusammenarbeit in Krisenfällen zeigt die nachfolgende Abbildung:
{% include image.html url="images/9cf983fb-6e98-4dc9-b8c2-d07fa2165195.jpg" description="Abbildung 6: Grafik Stäbe" %}
Der Arbeitsstab bzw. Krisenstab des Gesundheitsamtes ist im Krisenfall grundsätzlich eine ergänzende und unterstützende amtsinterne Organisationsstruktur für die Amtsleitung, die in der Regel als Fachvertretung des Gesundheitsamtes im Führungs- oder Katastrophenschutzstab tätig sein wird.
Der Stab des Gesundheitsamtes selbst übernimmt in der Regel nicht die Führung, sondern koordiniert und erarbeitet die erforderlichen Maßnahmen auf Weisung der Leitung des Gesundheitsamtes. Bei begrenzten infektiologischen Gefahrenlagen kann und sollte er allerdings auch allein tätig werden. Während er bei größeren Gefahrenlagen unterstützender Bestandteil der Amtsleitung im Führungsstab- oder Katastrophenschutzstab ist.
Gesundheitsämter nehmen sowohl administrativ-organisatorische Aufgaben, wie die Koordination und Entscheidung von Fachaufgaben im originären Zuständigkeitsbereich, als auch operativ-taktische Aufgaben, wie die Bildung von Einsatzschwerpunkten, den Einsatz von Personal und die Steuerung von Logistik wahr.
Die Struktur des Stabes in Gesundheitsbehörden sollte sich abhängig von den personellen Gegebenheiten an der FwDV 100 orientieren. Wenn es die Gefahrenlage und die Aufgaben in dem Stab erfordern, wird er durch weiteres internes Personal unterstützt oder bei Bedarf durch weiteres Personal aus anderen Ämtern/Abteilungen ergänzt. Wenn es für die Aufgabenerfüllung sachgerecht ist, werden ggf. Stabsfunkionen zusammengelegt.
Für die Arbeit im Krisenstab müssen bestimmte infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Der Krisenstab benötigt einen geeigneten Raum mit entsprechender Ausstattung, inklusive Informations- und Kommunikationstechnik. Einige Dinge sollten grundsätzlich immer bereitstehen, andere können anlassbezogen geschaffen werden.
Die Checkliste „Ausstattung eines Krisenstabes“ macht Vorschläge, die bei der Einrichtung eines Stabes genutzt werden können.
Die Ministerien und die ihnen nachgeordneten allgemeinen und besonderen Landesbehörden sind jeweils im Rahmen ihrer Aufgaben für die Vorbeugung und Abwehr von Gefahren zuständig. Im Sinne der gesamtstaatlichen Vorsorge gegen infektiologische Gefahrenlagen kann bei drohenden Gefahren, bei eingetretenen Schadenslagen sowie bei Katastrophen der Stab dieser Gesundheitsbehörden aufgerufen werden.
Teilweise werden diese Stäbe im Rahmen des Ressortprinzips federführend tätig, teilweise werden gemeinsame Stäbe von Gesundheits- und Innenressorts gebildet. Die Gesundheitsministerien können in der Regel bei gesundheitsbezogenen Lagen die Aufrufung des Stabes der Landesregierung vorschlagen. In diesem Stab arbeiten dann die betroffenen Ministerien gemäß ihrer Aufgabenzuständigkeit mit und erledigen die Aufgaben im Rahmen der Ressortzuständigkeit.
Die Arbeitsweise im Stab ist ein zielgerichteter, immer wiederkehrender, in sich geschlossener Denk- und Handlungsablauf. Durch das wiederholte Durchlaufen wird die notwendige Lagebeurteilung und Beschlussfassung sichergestellt.
{% include image.html url="images/2b9be091-dd4a-40e0-9d5e-2847433c369d.jpg" description="Abbildung 7: Arbeitsweise im Krisenstab" %}
Die Aufgaben der Stabsfunktionen gemäß der FwDV 100 werden beispielhaft in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:
Stabsfunktion |
Aufgaben |
S 1 (Personal) |
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S 2 (Lage) |
Information sicherstellen
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S 3 (Einsatz) |
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S 4 (Logistik) |
|
S 5 (Presse- und Medienarbeit) |
Presse- und Medieninformation
Presse- und Medienbetreuung
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S 6 (IT und Kommunikation) |
Planen des IT- und Kommunikationseinsatzes, Erarbeiten eines Kommunikationskonzeptes, Sicherstellung des Einsatzes
Ausstattung der Einsatzleitung mit Bürokommunikation |