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Informationsfreiheit in Bayern. Akteneinsicht, ein Bürgerrecht. Eine Information vom Bündnis Informationsfreiheit für Bayern Neuausgabe 2013 Konta kt

Gerd Hoffmann Wolfgang Killinger Dr. Heike Mayer

Bündnis Informationsfreiheit für Bayern Sedanstraße 25, 81667 München Telefon: 08071-5975120 www.informationsfreiheit.org ifg-bayern@mehr-demokratie.de

Mehr Transparenz in Bayern! Das Bündnis »Informationsfreiheit für Bayern« informiert Seit 1. Januar 2006 gibt es ein Bundes-Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgerin- nen und Bürgern Einsicht in die Akten der öffentlichen Verwaltung ermöglicht. Es ist an der Zeit, auch in Bayern ein Recht auf Informationsfreiheit einzuführen. Dafür setzen wir uns ein. Über die praktische Bedeutung von Informations- und Akteneinsichtsrechten, über die Notwendigkeit eines entsprechenden Gesetzes auf Landesebene sowie über die Möglichkeit, dieses Recht in einer Kommune ei- genständig zu verankern, informiert diese Broschüre.

Diese Organisationen haben 2004 die Initiative ins Leben gerufen:

Transparency International (TI), Deutschland e.V. ist eine gemeinnützige, parteipolitisch unabhängige internationale Bewegung von Menschen aus aller Welt, die sich dem globa- len Kampf gegen Korruption verschrieben hat. Alte Schönhauser Straße 44, 10119 Berlin, Tel. 030 / 54898-0 www.transparency.de, office@transparency.de

Mehr Demokratie e.V. ist ein deutschlandweit arbeitender Verein, der – streng überpartei- lich – für eine fair geregelte direkte Demokratie auf allen politischen Ebenen eintritt. Jägerwirtstraße 3, 81373 München, Telefon 089 / 821 17 74 www.mehr-demokratie.de, bayernbuero@mehr-demokratie.de

Humanistische Union e.V. Landesverband Bayern Bürgerrechtsorganisation – emanzipatorisch – radikaldemokratisch – unabhängig Paul-Hey-Straße 18, 82131 Gauting, Tel. 089 / 850 33 63 www.humanistische-union.de/suedbayern, humanistische-union@link-m.de

Inzwischen haben sich zahlreiche Organisationen und Parteien dem Bündnis an­ ge­­schlossen. Zu den Unterstützern gehören: Bayerischer Journalisten-Verband (BJV), Bündnis 90 / DIE GRÜNEN (LV Bayern), FDP (LV Bayern), Bund Naturschutz Bayern (BN), Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit e.V., Deutsche Jour-

4 Informationsfreiheit in Bayern. Was bedeutet Informationsfreiheit? Informationsfreiheit ist ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger. Wo Transparenz und Bürgernähe in der Verwaltung fehlen, besteht ein Demokratiedefizit. Dieses gilt es zu beseitigen.

Informationen, die in öffentlichen Stellen vorhanden sind, gehören der Allge- meinheit, nicht der Behörde. Sie sollten deshalb auch öffentlich zugänglich sein. Die Forderung nach Informationsfreiheit lässt sich auch von der finanziellen Seite her begründen: Das Geld, das öffentliche Stellen verwalten und investieren, ge- hört den Bürgern. Deshalb sollten öffentliche Stellen dazu verpflichtet sein, ihren verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern jederzeit unter Beweis zu stellen und gewünschte Informationen offenzulegen.

Wo Informationsfreiheit besteht, hat jedermann das Recht auf einen voraus­set­ zungs­losen Zugang zu den Informationen, die in der öffentlichen Verwaltung vor­handen sind. »Voraussetzungslos« heißt: Der Antragsteller muss nicht nach­ wei­sen, dass er an der Akteneinsicht ein »rechtliches Interesse« hat (an diese Vor­­aus­setzung ist das geltende Akteneinsichtsrecht nach dem Verwaltungsver- fahrensgesetz geknüpft). Der Antrag auf Akteneinsicht muss überhaupt nicht begründet werden; jedermann hat das Recht dazu.

»Voraussetzungslos« bedeutet allerdings nicht »bedingungslos«. Ein Infor­ma­tions­­ freiheitsgesetz steht im Einklang mit den Schutzbestimmungen anderer Gesetze, wie etwa dem Bundesdatenschutzgesetz. Es definiert außerdem genau und in engen Grenzen Ausnahmeregelungen, etwa zum Schutz von Betriebs- und Ge- schäftsgeheimnissen, der Strafverfolgung oder der öffentlichen Sicherheit.

nalistinnen- und Journalistenunion (DJU) in Bayern, Netzwerk Recherche, Öko- logisch-Demokratische Partei ÖDP (LV Bayern), Omnibus gGmbH, Piratenpartei (LV Bayern). Stand Januar 2013

5 Wem nützt ein Informationsfreiheitsgesetz? Jeder Bürger kann sich über öffentliche Angelegenheiten in seiner Kommune infor- mieren – auch über Fragen, die in öffentlichen Sitzungen des Stadt- oder Gemein- derates vielleicht nicht ausreichend geklärt wurden. Jeder kann Entscheidungshinter- gründe, Planungsberichte, Protokolle, Gutachten, Kostenkalkulationen usw. nachlesen.

Bürgerinitiativen können für ihre Arbeit auf Informationen zurückgreifen, die ih- nen von betroffener Seite womöglich absichtlich vorenthalten werden. Sie wür- den einen rechtlich abgesicherten Zugang zum »Herrschaftswissen« erhalten.

Informationsfreiheit ist ein Erfordernis der Pressefreiheit. Journalisten können zuverlässiges Datenmaterial beziehen statt auf die offiziellen Pressemitteilun- gen der Behörden oder die Auskunftswilligkeit von Insidern angewiesen zu sein. Die Recherche von Journalisten – unverzichtbar als Mittel der Kontrolle – wird so erleichtert. Erst durch Informationsfreiheit wissen Journalisten, wonach sie fragen können. Dann erst greift die Pressefreiheit.

Für Wirtschaftsunternehmen können Informationen aus der öffentlichen Ver- waltung eine wertvolle Entscheidungsgrundlage etwa für Standortausbau, Pro- duktentwicklung, Personalpolitik usw. sein. Die Angst, Betriebs- und Geschäfts- geheimnisse könnten durch ein Informationsfreiheitsgesetz publik werden, ist unbegründet. Ein Blick in die USA zeigt, dass Anträge auf Akteneinsicht dort zu 80 Prozent von Privatunternehmen gestellt werden.

Behörden-Mitarbeiter haben persönlich nichts zu verbergen. Einen Antragsteller mit Informationen zu versorgen, ist ein heute vielfach schon selbstverständlicher Service. Eine bürgerfreundliche Behörde zeigt, dass sie sich bewusst ist: Eine Ver- waltung ist für die Bürger da – nicht umgekehrt.

Politiker, die sich für ein Akteneinsichtsrecht stark machen, zeigen, dass sie modern denken, bürgernah handeln und unsere Demokratie zu stärken bereit sind. Der ehe- malige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi stellte seinen amtlichen Briefwech- sel ins Internet. Diesem guten Beispiel sollten Politiker in Deutschland folgen.

Schließlich hat die Gesellschaft überhaupt einen Nutzen: Informationsfreiheit kann dazu beitragen, Verschwendung von Steuergeldern einzudämmen und Be- trug und Korruption zu erschweren.

6 Informationsfreiheit in Bayern. In Bayern gehen die Uhren anders … sie gehen nach In 90 Ländern weltweit gibt es Informationsfreiheitsgesetze und damit ein ge- setzlich garantiertes Recht auf Akteneinsicht. Schweden blickt auf die längste Tradition zurück; hier gibt es das Akteneinsichtsrecht schon seit dem 18. Jahrhun- dert. Im 20. Jahrhundert war Finnland Vorreiter, hier gilt ein entsprechendes Ge- setz seit 1951. Wegweisend wurde der 1967 in den USA Kraft getretene »Freedom of Information Act«. Auf ihn geht der sperrige Begriff »Informationsfreiheits-Ge- setz« zurück. Zahlreiche Länder der Welt folgen dem Beispiel – nach China (2008) und Russland (2010) im Jahr 2011 auch El Salvador, Niger, Nigeria und Tunesien.

Fast alle europäischen Länder haben Informationsfreiheitsgesetze. Auf EU-Ebene gilt seit 2001 die Verordnung (EG) 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission.

Seit dem 1. Januar 2006 gibt es auch in Deutschland ein solches Gesetz – aller- dings nur auf Bundesebene. Das heißt: Das Akteneinsichtsrecht bezieht sich nur auf die Verwaltungsstellen des Bundes. Deshalb haben die Bundesländer eigene Landes-Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Vorreiter war 1998 Brandenburg; dort hat Informationsfreiheit sogar Verfassungsrang. Alle anderen Länder sind nachgefolgt – fast alle: Fünf Bundesländer haben noch kein Informationsfrei- heitsgesetz. Eines davon ist Bayern.

In Bayern hat es seit 2001 sieben parlamentarische Initiativen für ein Gesetz ge- geben. Ein Gesetzentwurf der Freien Wähler ist im Sommer 2010 wie alle anderen zuvor am Widerstand der CSU gescheitert. Der ehemaliger Regierungspartner FDP, Mitglied im Bündnis Informationsfreiheit für Bayern, musste sich hier nach eigenen Angaben entgegen ihrer Überzeugung dem Negativ-Votum beugen.

»Ich appelliere ausdrücklich an Sie: Verweigern Sie den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern nicht länger ein Informationsrecht, das jedes Jahr mehr Länder ihren Bürgerinnen und Bürgern einräumen. Ich appelliere an Sie: Sehen Sie sich die Situation in anderen Ländern an. Wir haben auf Ebene der Europäischen Union ein allgemeines Zugangsrecht zu den Dokumenten des Europäischen Parlamen- tes, des Rates und der Kommission. Wir haben in elf Bundesländern Informationsfreiheit. Sie sehen, es geht doch, es tut nicht weh. Ich verweise auf die Situation in anderen Staaten. Warum soll in Bay- ern nicht möglich sein, was in Malawi, auf den Fidschi-Inseln und in Aserbaidschan funktioniert?« Dr. Andreas Fischer, MdL, FDP-Fraktion, bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Freien Wähler für ein Bayerisches Informationsfreiheitsgesetz am 11.3.2010 im Bayerischen Landtag an die Adresse der CSU-Fraktion.

7 Kein Grund an Geheimhaltungspolitik festzuhalten Von Gegnern der Informationsfreiheit werden verschiedene Bedenken und Ge- genargumente formuliert – doch diese erweisen sich bei näherem Hinsehen als wenig stichhaltig:

Ein umfassendes Informationsrecht für Bürger sei überhaupt nicht notwendig; beim Nachweis eines berechtigten Interesses gibt es bereits jetzt ein Auskunfts- recht, gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz § 29. Richtig ist, dass mit dieser Gesetzesnorm Einsicht genommen werden kann in Bereiche, die einen Bürger persönlich und unmittelbar betreffen. Wir wollen je- doch, dass sich Bürger auch gemeinwohlorientiert engagieren können, wir wol- len einen »Aktive Bürgergesellschaft«. Die Grundvoraussetzung dazu ist Zugang zu Information. Wo Bürgerinnen und Bürger an allen Informationen und Ent- scheidungen von öffentlichem Interesse demokratisch teilhaben, gibt es keine Politikverdrossenheit.

Wenn ein Bürger seinen Antrag auf Akteneinsicht nicht zu begründen braucht, lie- ge darin eine erhebliche Missbrauchsgefahr. Persönliche Daten würden unkontrol- liert offengelegt. Das Gegenteil ist der Fall: Mit einem Informationsfreiheitsgesetz kann Missbrauch (zum Beispiel Verschwendung von Steuergeldern, Korruption) aufgedeckt, verhin- dert und insgesamt vermindert werden. Berechtigte Datenschutzinteressen sind gesetzlich abgesichert; daran ändert das Informationsfreiheitsgesetz nichts.

»Der Schutz personenbezogener Daten bereitet in der Praxis bislang keine größe- ren Schwierigkeiten. Die vorgenommene Zuordnung und Abstimmung von Da- tenschutz und Informationsfreiheit ist gelungen; die gesetzliche Entscheidung für den relativen Vorrang des Datenschutzes findet allgemein Akzeptanz.« (Prof. Dr. Friedrich Schoch über das Informationsfreiheitsrecht in der gerichtlichen Pra- xis auf dem 16. Deutschen Verwaltungstag, Freiburg 2010)

8 Informationsfreiheit in Bayern. Ein Akteneinsichtsrecht für Bürgerinnen und Bürger verursache einen enormen Vollzugsmehraufwand und drohe die Verwaltung lahmzulegen. Ein Blick auf die Erfahrungen, die andere Bundesländer mit dem Informations- freiheitsgesetz gemacht haben, zeigt im Gegenteil: Die Zahl der Anträge hält sich überall in Grenzen, in keinem Land ist die Verwaltung in einer Flut von Anträgen untergegangen, nirgendwo musste zusätzliches Personal eingesetzt werden.

Die Bürger interessierten sich doch gar nicht für die Akten der öffentlichen Verwaltung. Diese These steht in direktem Widerspruch zu der Behauptung, die Verwaltung würde durch das Gesetz zu sehr belastet. Wie die Erfahrung zeigt, ist aber weder das eine noch das andere der Fall. Eins aber steht fest: Transparenz steigert die Qualität der Verwaltung.

Die bestehenden Gesetze seien ausreichend. Ein Informationsfreiheitsgesetz würde gar keinen Mehrwert an Informationen bringen. Seit 2006 gibt es in Bayern ein Umweltinformationsgesetz. Bürgerinnen und Bürger haben demnach beispielsweise Anspruch auf Einsicht in ein Lärmgutach- ten, das eine Stadt in Auftrag gegeben hat. Es ist nicht einzusehen, warum dieses Recht nicht für Gutachten gilt, in denen es nicht um Umweltinformationen geht. Dies ist nur ein Beispiel, wo sich ein Mehrwert durch ein allgemeines Informati- onsfreiheitsgesetz ergibt.

Bayern brauche kein Informationsfreiheitsgesetz, weil die Transparenz des Verwal- tungshandelns auch ohne dies in umfassender Weise gewährt sei. Diese Aussage trifft leider nicht zu, wie zahlreiche Fälle immer wieder deutlich machen. Wie es Bürgern häufig ergeht, wenn sie sich mit der Bitte um Informati- on an eine öffentliche Stelle wenden, zeigt die folgende Darstellung – es ist nur ein Beispiel von vielen:

9 In zehn Schritten vom Vertrauen in die bürger- nahe Verwaltung zur Politikverdrossenheit. Ein bayerisches Lehrstück. Die Ausgangssituation: Über die Salzach – den Fluss, der Deutschland (Freistaat Bayern) und Österreich (Bundesland Oberösterreich) trennt – soll auf Betreiben des bayerischen Landrats eine neue Brücke gebaut werden. Im März 2008 gibt der stellvertretende Landeshauptmann von Oberösterreich Franz Hiesl dazu eine Pressemitteilung folgenden Inhalts heraus: Das Land Oberösterreich habe zum Zweck des grenzüberschreitenden Brückenbaus eine Vereinbarung mit dem Frei- staat Bayern, vertreten durch Ministerpräsident Günther Beckstein, getroffen. Die Gesamtkosten des Projekts würden sich auf knapp 30 Millionen Euro belau- fen. Oberösterreich werde davon rund 30 Prozent übernehmen, den Rest inklusi- ve der Bauabwicklung trage Bayern. Die Fertigstellung der Brücke sei für das Jahr 2012 geplant.

I. Ein Bürger möchte Genaueres über den Sachverhalt wissen und bittet die öster­­reichische Landesregierung und den Freistaat Bayern um Übersendung der Vereinbarung Der geplante Brückenneubau ist in der Region nicht unumstritten: Sinn und Nut­­­zen des Millionenprojekts werden angezweifelt, Gerüchte über Kosten und Kosten­ aufteilung machen die Runde. Um Aufschluss über den wahren Sachver­halt zu be­kommen, wendet sich der im bayerischen Landkreis ansässige Bürger H. am 7.8.2009 mit einem Brief an den stellvertretenden Landeshauptmann von Ober- österreich Franz Hiesl: »Sie geben an, dass die Vereinbarung eine Kostenauftei­ lung von 30 % Land Oberösterreich und 70 % Freistaat Bayern vorsieht. Bei uns wird aber dauernd behauptet, dass die Kostenaufteilung 50 % zu 50 % sei. Um Klar­heit zu bekommen, bitte ich Sie herzlich, mir den Text der Vereinbarung zu schicken.«

II. Die österreichische Verwaltungsstelle verweigert dem Bürger aus Bayern die gewünschte Information und verweist auf die Auskunftsbereitschaft der bay- erischen Verwaltungsstelle Am 17.8.2009 erhält H. einen Antwortbrief vom stellvertretenden Landeshauptmann Hiesl persönlich: »Ich ersuche um Verständnis, dass von meiner Seite eine bilaterale, Landesgrenzen überschreitende Vereinbarung nicht übermittelt wird. Ich bin mir al­ ler­dings sicher, dass der Landkreis Traunstein für Sie subjektiv Inhalte bekannt gibt.«

10 Informationsfreiheit in Bayern. III. Die Bayerische Staatsregierung lässt das Informationsgesuch des Bürgers zunächst unbeantwortet Am 4.8.09 hatte H. auch bei der Bayerischen Staatsregierung nachgefragt. Dabei machte er auf die fehlende öffentliche Berichterstattung von bayerischer Seite aufmerksam. »Bei uns gibt es erhebliche Zweifel, ob die von Hiesl angegebene Kostenaufteilung, nämlich 70 % Bayern und 30 % Oberösterreich, tatsächlich zu- treffend ist. Leider gibt es von bayerischer Seite zu der Vereinbarung, ich vermute dass es ein Staatsvertrag ist, keine Pressemitteilung. Um Klarheit zu bekommen, bitte ich Sie, mir den Text der Vereinbarung zu schicken.«

Vier Wochen lang wartet H. vergeblich auf Antwort aus München. Am 8.9.2009 schreibt er erneut an die Staatskanzlei: »Sehr geehrter Herr Staatsminister Schnei- der! Ich habe mich am 04.08.2009 an die Bayerische Staatskanzlei […] mit der Bitte um eine Information gewandt. Ich habe leider bis heute keine Antwort bekommen und wende mich daher jetzt an Sie, als dem zuständigen Minister. Ich setze vor- aus, dass Ihre Mitarbeiter die Allgemeine Geschäftsordnung kennen. Ich habe als Bürger Anrecht auf eine Antwort. Ich bitte um schnellstmögliche Antwort [...].«

IV. Auf Nachfrage verweist die Staatsregierung den um Auskunft bittenden Bürger an die zuständige lokale Behörde Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Innenministerium antwortet H. am 25.9.09 im Auftrag von Staatsminister Schneider. Man habe beim Landkreis Traun­ stein nachgefragt und erfahren, dass H. eine gleichlautende Anfrage auch dort gestellt habe. Er werde in Kürze vom Landkreis, als dem am Projekt beteiligten Bau­ lastträger, eine Antwort erhalten.

V. Der Bürger fragt nach Informationen, die zuständige Behörde antwortet nicht H. erkundigt sich beim Landratsamt Traunstein, was »in Kürze« konkret bedeutet, erhält aber keine Antwort. Nach annähernd zwei Monaten vergeblichem Warten auf die gewünschte Information schreibt H. erneut an das Landratsamt Traun- stein.

11 VI. Als der Bürger nochmals nachfragt, verweigert die Behörde explizit die Aus­ händigung der gewünschten Informationen Am 2.12.09 bekommt H. ein Antwortschreiben vom Landratsamt Traunstein. Der Leiter der Abteilung Tiefbauverwaltung teilt mit: »Zu lhrer Anfrage zur Übersen- dung des Textes der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Land Oberösterreich und dem Landkreis Traunstein bitten wir um Verständnis dafür, dass aus grund- sätzlichen Erwägungen Verträge nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen.«

VII. Der Bürger bittet um Einsichtnahme in die Unterlagen, die Behörde ver- weigert dies H. schreibt am 2.1.2010 an das Landratsamt: »Da Sie den Text der Verwaltungs- vereinbarung nicht an mich weitergeben dürfen, bitte ich Sie um einen Termin, wann ich den Text bei Ihnen einsehen kann. Da Gründe des Datenschutzes dem nicht entgegenstehen können und der Text keinerlei Geheimhaltung unterliegen kann, sehe ich mit Vertrauen in eine bürgernahe Verwaltung Ihrer Terminbenen- nung entgegen. Da ich als Steuerzahler Betroffener von der geplanten Baumaß- nahme bin, ist die Begründung für die Einsichtnahme gegeben.« Am 20.1.2010 antwortet der Sachbearbeiter: »Zu Ihrer Anfrage … teile ich Ihnen mit, dass wie bereits in unserem Schreiben vom 2.12.2009 aufgeführt, Verträge an Dritte nicht weitergegeben werden dürfen. Somit ist auch eine von Ihnen ge- wünschte Einsichtnahme im Landratsamt leider nicht möglich.«

VIII. Der Bürger fragt nach der gesetzlichen Grundlage für die behördliche Weigerung, die Behörde antwortet mit einer Gegenfrage H. fragt am 26.1.2010 beim Landratsamt nach: »Ich bitte mir mitzuteilen, auf wel- cher gesetzlichen Grundlage es beruht, dass ich die Verwaltungsvereinbarung nicht einsehen darf.« Worauf ein Mitarbeiter der Behörde am 28.1.10, H. antwortet: »Auf Ihre Anfrage hin dürfen wir Ihnen mitteilen, dass Verwaltungsvereinbarungen intern sind und des- halb nicht weitergegeben werden. Über den Inhalt können wir Ihnen natürlich ger- ne Auskunft geben. Wir bitten Sie, uns mitzuteilen, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlagen Sie eine Einsichtnahme in die Verwaltungsvereinbarung begründen.«

12 Informationsfreiheit in Bayern. IX. Der Bürger verlangt einen offiziellen Ablehnungsbescheid, um gegen die Weigerung der Behörde Rechtsmittel einlegen zu können, die Behörde ver- weigert dies Am 5.3.2010 insistiert H. bei der Behörde: »Ich habe einen Antrag auf Einsicht- nahme gestellt. Sie schreiben, dass ich den Text der Verwaltungsvereinbarung nicht einsehen darf. Damit lehnen Sie meinen Antrag ab. Ihre Ablehnung muss auf Grund von Gesetzen erfolgt sein. Daher bitte ich mir einen rechtsmittelfähi- gen Bescheid zukommen zu lassen.«

Die Behörde antwortet H. am 10.3.2010: »Zu ihrem Schreiben vom 5.3.2010 teilen wir Ihnen mit, dass aus Sicht des Landkreises Traunstein keine Veranlassung be- steht, einen Bescheid zu erlassen.«

X. Der Bürger beruft sich auf den Rechtsstaat und äußert Zweifel an der Ver- waltung H. schreibt am 10.4. an den Sachbearbeiter: »Sie lehnen es ab, einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen. Die Bayerische Verfassung vom 1946, auf die Sie vereidigt wurden, definiert den Freistaat erst- mals als »Rechtsstaat«. Er garantiert die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und eröffnet jedem, der durch die öffentlichen Gewalten in seinen Rechten verletzt wird, den Rechtsweg. Durch Ihre Weigerung entsteht für mich der Eindruck, dass Sie nicht bereit sind, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu garantieren. Ich zie- he daraus meine Schlussfolgerungen.«

Auch eine Petition von H. An den bayerischen Landtag blieb schließlich ohne Er- gebnis. Eine Überprüfung durch das bayerische Innenministerium kam zu dem Ergebnis, dass die Sachbehandlung durch den Landkreis Traunstein der Sach- und Rechtslage entspreche und nicht zu beanstanden sei.

Durch die Geheimhaltung der Verwaltungsvereinbarung drängt sich der Verdacht auf, dass hier Dinge vereinbart wurden, die verschleiert werden sollen.

13 Informationsdefizite sind oft strukturell bedingt: Beispiel Moosburg Die Bürgerinitiative UMB – Unabhängige Moosbürger Bürger e.V. fordert Infor- mationsfreiheit für Moosburg und begründet dies auf ihrer Webseite wie folgt:

D ie S ituation in Moosburg »Auch in Moosburg gibt es Themen, bei denen ein Zugang zu allen Informationen nicht nur wünschenswert wäre, sondern zwingend notwendig ist. Es geht nicht darum, Schweinereien aufzudecken, sondern das Vertrauen der Bürger in das Rat­ haus zu stärken. Woher sollen die Moosburger denn wissen, dass alles mit rechten Dingen zugeht, wenn sie es nicht überprüfen können? Bisher müssen sie einfach alles glauben, was in der Zeitung steht. Überprüfen können sie es nicht. Transpa- renz schafft Vertrauen und Demokratie ist ohne Transparenz nicht möglich.

Kläranlagen GmbH: Die Abwassergebühren wurden erhöht. Aber wie sieht die Kalkulation dazu im Detail aus? Wie wird die Kläranlagen GmbH geführt, ist das wirtschaftlich? Dann könnte vielleicht auch der ewige Streitpunkt über die Be- triebsform endlich beigelegt werden.

Stadtmarketing eG: So begrüßenswert die Bündelung der Aktivitäten zur Ver- marktung von Moosburg sind, auch hier werden städtische Gelder verwendet, auch hier gibt es eine Ge­schäfts­führung, deren Handlungen zum Wohle der Moosburger Bürger kontrol­liert werden müssen. Schließlich sollen die Moosbur- ger als Ganzes und nicht nur einige Wenige davon profitieren.

Kanalisation: Hat schon mal jemand versucht, den Plan für das städtische Kanal­ system einzusehen? Darauf gibt es bisher keinen Anspruch. Und hier stehen enor- me Investitionen zur Sanierung an.

Wasserwerk: Die Leistungen, die dort erbracht werden, haben noch nie Grund zur Bemänge­lung gegeben. Aber warum dies so ist, weiß auch niemand. Hier könnte man viel­leicht der Betriebsleitung durch Transparenz die verdiente Anerkennung zu Teil wer­den lassen. Man darf aber auch fragen, ob Investitionen auf die Bürger zukommen.

14 Informationsfreiheit in Bayern. Rechnungsprüfungsausschuss: Der Ausschuss macht seine Arbeit von der Öffent­lichkeit recht unbeachtet. Aber dort findet wohl eher eine Belegprüfung statt. Eine Prüfung der Ausgaben auf deren Rechtmäßigkeit oder Deckung durch den Haushaltsplan scheint nicht statt zu finden. Aber gerade diese wäre von höchster Wichtigkeit. Denn gerade in knappen Zeiten fragt sich der Bürger, was mit seinem Geld gemacht wird.

Städtischer Haushalt: Dieser wird nach der Drucklegung für kurze Zeit ausgelegt. Der interessierte Bürger darf ihn in dieser Zeit einsehen und Notizen machen, Kopien sind untersagt und auch den Rest des Jahres erhält man keine Einsicht. Aber gerade dieses Dokument ist die Grundlage städtischen Handelns. Ohne öffentlich zugänglichen Haushaltsplan ist nichts, aber auch gar nicht überprüf- bar. Ohne öffentliche Zugänglichkeit könnten die Stadträte auf seine Erstellung verzichten, die so viel Zeit in Anspruch nimmt, weil die Bürger die unterjährigen Stadtratsbeschlüsse nicht mehr mit dem Haushaltsplan vergleichen können. Der Haushaltsplan gehört auf die Internetseite der Stadt Moosburg.

Städtische Immobiliengeschäfte: Ob es sich um Baugebiete handelt oder um ausgeübte Vorkaufsrechte, Verkauf von Grundstücken an andere öffentliche Trä- ger oder den Kauf von Privatleuten, dies sind Geschäfte, bei denen große Summen bewegt werden und die in anderen Gemeinden schon die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Um hier Allen das Gefühl der Sicherheit zu geben, ist Informations- freiheit das oberste Gebot. [...]

Informationsfreiheit ist keine Last, sondern zum Wohle der Bürger. Und deshalb sollte auch Moosburg eine Satzung zur Informationsfreiheit haben. Die UMB fordern daher eine Informationsfreiheits-Satzung für Moosburg und appellieren an alle Stadt­räte, die es mit der Demokratie ernst nehmen, diese Forderung in den Stadtrat zu tragen.« Quelle: http://www.umb-moosburg.de/index.php?tc=artikel091209&fb=890

Erfreuliche Entwicklung: Der Stadtrat hat im April 2012 einstimmig beschlossen, dass Moosburg eine Informationsfreiheits-Satzung erhält. Die Satzung trat am

  1. November 2012 unbefristet in Kraft. Den Satzungstext finden Sie hier: http://informationsfreiheit.org/Moosburg

15 Eine transparente Verwaltung schafft Vertrauen in die Politik Die folgenden Beispiele für Anfragen an die Verwaltung stammen aus Bundes- ländern, in denen es ein Recht auf Akteneinsicht gibt. Sie machen den Nutzen deutlich, den ein solches Recht für die Bürger hat und zeigen, wie Informations- freiheit funktioniert. Und wie wichtig es ist, hartnäckig zu bleiben.

Stadtwerke gewähren Einsicht in Prüfungsunterlagen (Schleswig-Holstein) Eine Stadt prüfte für den Bau einer Abfallverbrennungsanlage mehrere Standor- te. Als sie sich auf einen Standort festlegte, regte sich in der Bevölkerung Wider- stand dagegen und es bildete sich eine Bürgerinitiative. Die Bürger wandten sich an die Stadtwerke, die die alternativen Standortprüfungen durchgeführt hatten, und baten um Einsicht in die entsprechenden Unterlagen. Dies wurde zunächst verweigert. Auch nachdem die Ratsversammlung die Stadtwerke aufforderte, die Untersuchung zu veröffentlichen, waren die Stadtwerke nicht dazu bereit. Die Bürgerinitiative wandte sich daraufhin an den Informationsbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein. Durch sein Eingreifen wurde erreicht, dass die ge- wünschten Unterlagen im Internet veröffentlicht wurden. (Tätigkeitsbericht des schleswig-holsteinischen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informations- freiheit 2004)

Eltern erhalten Einsicht in Notenvergleich (Saarland) Eltern im Saarland wollten unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einsicht nehmen in eine vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene ver- gleichende Untersuchung, die Aufschluss darüber gibt, wie sich die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit von neun auf acht Jahre auf die Noten der Schüler ausgewirkt hat. Unter Hinweis auf den Datenschutz wurde die Einsicht in den Notenvergleich zunächst verweigert. Der mit der 2009 neu gewählten Landesre- gierung ins Amt gekommene Bildungsminister machte dem Streit ein Ende und gewährte der Landeselterninitiative für Bildung im März 2010 die gewünschte vollständige Einsicht in den Vergleich des G8/G9-Notendurchschnitts am Ende des Schuljahres 2007/2008. (Saarbrücker Zeitung vom 19.3.2010)

Einsicht in Unterlagen über Amtspflegschaft (Berlin) Ein Bürger begehrte Einsicht in neun Ordner mit Bankbelegen der Betreuungs- stelle über die Amtspflegschaft seiner Mutter. Dies wurde zunächst verwehrt,

16 Informationsfreiheit in Bayern. dann aber gemäß Informationsfreiheitsgesetz zugebilligt. Die in Aussicht gestell- te Gebühr von rund 100 Euro musste der Antragsteller nicht zahlen, nachdem der Berliner Informationsbeauftragten die Behörde darauf hingewiesen hatte, dass dies nicht sein durfte. (Jahresbericht des Berliner Informationsfreiheitsbeauftrag- ten 2009)

Auch Protokolle nichtöffentlicher Beratungen sind unter Umständen zugänglich (Schleswig-Holstein) Ein Bürger begehrte Informationszugang zum Beratungsprotokoll einer Gemein- devertretersitzung. Die Behörde lehnte den Antrag mit Verweis auf die Nichtöf- fentlichkeit der Sitzung ab; Protokolle vertraulicher Beratungen seien geheim zu halten. Daraufhin schaltete sich der schleswig-holsteinische Informationsfrei- heitsbeauftragte ein und wies die Behörde darauf hin, dass Protokolle vertrau- licher Beratungen nicht pauschal geheim zu halten sind, sondern dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob Beratungsgegenstand und Schutzinteressen Dritter die Einsicht wirklich ausschließen. Nach Beratung durch den Informationsfrei- heitsbeauftragten machte die Behörde in diesem Fall dem Antragsteller das Pro- tokoll in Kopie zugänglich. (Tätigkeitsbericht des schleswig-holsteinischen Landes- beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit 2010)

Nicht alles, was ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu sein scheint, ist wirklich eines (Mecklenburg-Vorpommern) Ein Bürger begehrte Einsicht in einen Prüfbericht zu einer Sanierungsmaßnah- me. Die Behörde lehnte seinen Antrag unter anderem deshalb ab, weil in den begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten seien und der Betroffene nicht einverstanden sei. Der Informationsfreiheitsbeauftrag- te von Mecklenburg-Vorpommern hat den Prüfbericht daraufhin durchgesehen und kam zu dem Schluss, dass dieser gemäß der Rechtsprechung des Bundesver- waltungsgerichtes (Leitsatz zum Urteil BVerwG 7 C 18.08 vom 28.05.2009) keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalte. Nachdem einige als geheimhal- tungsbedürftiggeltende Informationen unkenntlich gemacht worden waren, übersandte das Amt dem Antragsteller daraufhin eine Kopie des Prüfberichtes. (Zweiter Tätigkeitsbericht des Informationsbeauftragten von Mecklenburg-Vor­ pom­mern 2010)

17 Verträge zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben sind unterliegen dem Informationsrecht (Berlin, Bremen) Einige Informationsfreiheitsgesetze wurden kürzlich novelliert (Berlin, Juli 2010; Bre­ men, Februar 2011) und schreiben nun fest, dass Geschäfte und Verträge zwi­schen Öffentlicher Hand und Privaten, soweit sie die Daseinsvorsorge/Grundversor- gung betreffen – also beispielsweise Nahverkehr, Müllabfuhr, Strom-, Gas-, Was- serversorgung) prinzipiell öffentlich zugänglich zu machen sind. Bei sogenannt- en PPP-Verträgen (public private partnerships) können sich private Investoren zukünftig nicht auf eine Geheimhaltung wegen Betriebs- und Geschäftsgeheim- nissen be­rufen.

Eine Vertraulichkeitsvereinbarung rechtfertigt keine Geheimhaltung (Nordrhein-Westfalen) Ein Journalist hatte Zugang zu Informationen über einen Cross-Border-Leasing- Vertrag über eine kommunale Anlage gefordert und war damit zunächst auf Ab- lehnung gestoßen, weil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner offengelegt würden. Der zuständige Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts NRW hat dagegen in einem Beschluss festgehalten, dass eine entsprechende Erklärung des Innenministeriums rechtswidrig und dem Antrag des Journalis- ten stattzugeben sei. Ein Vertragswerk sei nicht wegen seines privatrechtlichen Charakters vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetz ausge- nommen, heißt es in der Begründung des OVG. Auch eine Vertraulichkeitsver- einbarung der Vertragspartner könne eine Verweigerung der Aktenvorlage nicht rechtfertigen. (OVG NRW Beschluss vom 3.5.2010 – 13 a F 31/09)

Unsere Idee: Informationsfreiheit in bayerischen Kommunen – Vertrauen schaffen durch eine Informationsfreiheits-Satzung Noch kann die bayerische Staatsregierung sich nicht entschließen, ein Informati- onsfreiheitsgesetz für Bayern einzuführen. Deshalb unser Vorschlag an die Bür- germeister, Stadträte oder Gemeinderäte der bayerischen Kommunen: Schaffen Sie vor Ort ein Gläsernes Rathaus! Deshalb unser Appell an die Bürgerinnen und Bürger: Machen Sie sich stark für Informationsfreiheit in Ihrer Gemeinde!

18 Informationsfreiheit in Bayern. Gerade auf kommunaler Ebene sind die für Bürger interessanten und wichti- gen Informationen zu finden. Denn natürlich möchte jeder gerne wissen: Was passiert bei uns vor Ort? Gemeinderatssitzungen sind laut Gemeindeordnung grundsätzlich öffentlich, ebenso wie die Protokolle der Sitzungen allgemein zu- gänglich zu machen sind. Als Informationsquelle reichen sie jedoch oftmals nicht aus. Laut Gemeindeordnung ist nur die Behandlung bestimmter Fragen aus den öffentlichen in die anschließenden nichtöffentlichen Sitzungen zu verlegen. Je- doch: In den letzten Jahren ist die Tendenz zu beobachten, dass in der Gemeinde auch umstrittene Tagesordnungspunkte zunehmend im nichtöffentlichen Teil behandelt werden. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Privatisierung öf- fentlicher Aufgaben, etwa durch Gründung einer kommunalen GmbH. Auf diese Weise werden viele Beschlüsse der öffentlichen Kontrolle entzogen. Aktenein- sicht ist nicht möglich.

Die Folge: Ein Vertrauensverlust der Bürger in die Politiker und die Redlichkeit ihrer Entscheidungen.

Wir fordern: Sitzungen sollen nach Möglichkeit im Internet live übertragen oder aufgezeichnet werden. Sitzungsprotokolle sollen vollständig im Internet veröf- fentlicht werden. Aus ihnen soll das Abstimmungsverhalten der einzelnen Rats- mitglieder hervorgehen.

Vertrauensverlust führt zu Politikerverdrossenheit: »Das Vertrauen der Bundes- bürger in ihre Politiker schwindet laut einer Umfrage weiter. Eine aktuelle Untersuchung der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen vom Dezember 2012 zeigt ein schwindendes Vertrauen der Bürger in Politiker. In einer dpa-Mel- dung heißt es dazu unter anderem: Die Bundespolitiker in Berlin schneiden dabei noch etwas besser ab als die Landespolitiker (8,6 Prozent), die Lokal- und Gemein- depolitiker (7,2 Prozent) oder die Europapolitiker (6 Prozent). Die Gründe für das geringe Vertrauen seien vielschichtig. Immer mehr Bürger stellen die Glaubwür- digkeit der Politiker generell infrage. Aber: Politikerverdrossenheit ist nicht gleich Politkverdrossenheit! 81 Prozent der Bundesbürger würden sich gerne stärker politisch engagieren – wenn sie mit­ bestim­men könnten. Gewünscht werden mehr direktdemokratische Beteili­gungs­­ möglichkeiten. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Mei­ nungs­forschungsinstituts TNS-Emnid im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung im Juni 2011. Wer mitbestimmen will, muss gut informiert sein! An Informationsfreiheit führt deshalb kein Weg vorbei.

19 Was Bürger, Bürgermeister, Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte tun können Um das Vertrauen zwischen Bürgern und ihrer Kommunalregierung zu stärken gibt kein besseres Mittel als die Kommunikation und eine transparente Rathaus- politik, Das Amtsgericht Regensburg stellt in diesem Sinne fest:

»Das übertriebene Abschotten der Aufsichtsratstätigkeit kann bei den Bürgern der Kommune zu Mutmaßungen, Verdächtigungen und Argwohn führen. Bürger wollen beispielsweise wissen, wie die Gas-, Strom-, Bus- und Badpreise zustan- de kommen, warum eine Buslinie eingestellt wird, wie eine Freifläche entwickelt wird, ob und wie hoch eine kommunale GmbH verschuldet ist. Geheimniskräme- rei erzeugt Misstrauen. Demokratie erfordert Transparenz der Entscheidungen. [...] Entscheiden sollen in einer repräsentativen Demokratie die gewählten Bür- gervertreter. Aber interessierte Bürger wollen rechtzeitig vor der Entscheidung gehört werden, zu Wort kommen und zumindest die Chance haben, auf die Ent- scheidungsfindung Einfluss zu nehmen. Sie wollen nicht durch eine bloße Be- kanntgabe bereits getroffener Entscheidungen vor vollendete Tatsachen gestellt werden.«

(VG Regensburg, Entscheidung vom 2. Februar 2005, Az.: RN 3 K 04.1408)

Das Gebot der Zukunft lautet also: Mehr Eigenverantwortung für Bürger in einer »aktiven Bürgergesellschaft«. Doch die Fähigkeit Verantwortung zu überneh- men, setzt die Teilhabe an Informationen voraus.

Gestalten Sie den Fortschritt in Bayern, schließen Sie sich den internationalen Standards an und beschließen Sie eine Informationsfreiheits-Satzung!

Wie Sie bei der Beantragung formal korrekt vorgehen können und welchen Sat- zungstext wir empfehlen, erfahren Sie im Folgenden.

Informationsfreiheit: So funktioniert's Je mehr Gemeinden und Bürger sich anschließen, umso größer die Erfolgschan- cen. Als BürgermeisterIn oder Gemeinderatsmitglied, aber ebenso als Gemeinde- und Landkreisbürger können Sie anregen und persönlich dazu beitragen, dass

20 Informationsfreiheit in Bayern. Informationsfreiheit in Ihrer Kommune/Ihrem Landkreis zum Gesprächsthema wird. Argumentationsmaterial finden Sie in unserer Informationbroschüre. Es gibt verschiedene Wege, eine entsprechende Satzung auf den Weg zu bringen:

Der/Die BürgermeisterIn oder ein Gemeinderatsmitglied bringt eine Beschluss- vorlage in den Gemeinderat ein, über die im Gemeinderat beraten und abge- stimmt wird. (Entsprechendes gilt für den Landkreistag).

Auf der Bürgerversammlung: Die Gemeindebürger können auf der Bürgerver- sammlung eine Empfehlung zum Erlass einer Informationsfreiheits-Satzung verabschieden. Hierzu muss einem gestellten Antrag mit einfacher Mehrheit zu- gestimmt werden. Gemäß Artikel 18 der Gemeindeordnung (GO) müssen Emp- fehlungen der Bürger versammlungen innerhalb einer Frist von drei Monaten im Gemeinderat behandelt werden.

Ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid: Gemeindebürger können (gemäß Artikel 18a der GO) über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen. Bürger können also durch Sammeln von Un- terschriften für den Erlass einer Informationsfreiheits-Satzung ein Bürger begeh- ren starten. Das gleiche ist (gemäß Artikel 12a der Landkreisordnung) auch auf Landkreisebene möglich.

Der Bürgerantrag: Gemeindebürger können (gemäß Artikel 18b der GO) bean- tragen, dass der Gemeinderat eine Informations freiheits-Satzung erlässt. Der Antrag muss von mindestens einem Prozent der Gemeindeeinwohner unter- schrieben sein. Der Gemeinderat muss den Antrag innerhalb von drei Monaten behandeln.

Eingabe: Jeder Bürger kann sich (gemäß Artikel 56 Absatz 3 der GO) mit einer Eingabe an den Gemeinderat oder das Landratsamt wenden. Nach Artikel 115 der Bayerischen Verfassung haben alle Bewohner Bayerns das Recht, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden oder an den Landtag zu wenden.

Für alle diese Möglichkeiten schlagen wir Ihnen die Modell-Satzung des Bündnisses vor. Einen Formular-Vorschlag für den Bürgerantrag finden Sie auf www.informationsfreiheit.org/aktiv-werden

21 Satzung zur Regelung des Zugangs zu Informationen des eigenen Wirkungskreises der Stadt/Gemeinde (Informationsfreiheits-Satzung)

§ 1 Zweck der Satzung (1) Zweck dieser Satzung ist es, den freien Zugang zu den bei der Stadt/Gemeinde vorhandenen Informationen zu gewährleisten. Dies betrifft auch Informationen der von der Stadt verwalteten Anstalten des öffentlichen Rechts, die städtischen Eigenbetriebe sowie die ganz oder teilweise in städtischen/gemeindlichen Besitz befindlichen Unternehmen, unabhängig von deren Rechtsform. Die Satzung legt die grundlegenden Voraussetzungen fest, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen. (2) Von der Satzung betroffen sind ausschließlich Informationen in Angelegenhei- ten des eigenen Wirkungskreises der Stadt/Gemeinde. (3) Das Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der Stadt/Ge- meinde geführten Akten kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden.

§ 2 Informationsfreiheit (1) Jeder hat Anspruch auf Zugang zu den von dieser Satzung erfassten Infor- mationen. (2) Im Sinne nachvollziehbarer Entscheidungsgrundlagen und transparenter Entscheidungsabläufe und um den Aufwand individueller Antragstellung und Antragserledigung möglichst gering zu halten, veröffentlicht die Stadt/Ge- meinde so weit wie möglich alle Informationen von allgemeinem und öffent- lichen Interesse auf ihren offiziellen Internetseiten, einschließlich Informatio- nen ihrer Einrichtungen gemäß § 1 Absatz 1. (3) Die Gemeinde/die Stadt veröffentlicht insbesondere Tagesordnungen und Beschlüsse des Gemeinde-/Stadtrats, in öffentlicher Sitzung gefasste Beschlüs- se nebst den zugehörigen Protokollen und Unterlagen,Verträge, Dienstanwei- sungen, Handlungsempfehlungen, Subventions- und Zuwendungsbescheide, Haushalts-, Bewirtschaftungs-, Organisations-, Geschäftsverteilungs- und Ak- tenpläne, Statistiken, Gutachten, Berichte, Verwaltungsvorschriften, öffentli- che Pläne, insbesondere Bauleitpläne. Außerdem die Unterlagen über die von

22 Informationsfreiheit in Bayern. ihr geplanten und durchgeführten Bauvorhaben. Ebenso Entscheidungen in Gerichtsverfahren, an denen die Stadt/Gemeinde beteiligt ist sowie alle weite- ren Informationen von öffentlichem Interesse unter Wahrung der Grundsätze der §§ 5 bis 8 dieser Satzung.

§ 3 Antragstellung/Ausgestaltung des Informationszugangs (1) Alle nicht bereits nach § 2 im Internet veröffentlichten Informationen sind nach Maßgabe dieser Satzung auf Antrag zugänglich zu machen. Die Antrag- stellerin oder der Antragsteller kann wählen, ob ihr oder ihm von der Stadt/ Gemeinde Auskunft erteilt, Akteneinsicht gewährt oder die Informationsträ- ger zugänglich gemacht werden, die die begehrten Informationen enthalten. Der Antrag kann schriftlich, mündlich, zur Niederschrift oder in elektronischer Form gestellt werden. Der Darlegung eines rechtlichen Interesses oder einer Begründung des Antrages bedarf es nicht. Im Antrag sind die begehrten Infor- mationen zu benennen. Sofern der Antragstellerin oder dem Antragsteller An- gaben zur Umschreibung der begehrten Informationen fehlen, hat die Stadt/ Gemeinde der Antragstellerin oder dem Antragsteller Hilfe zu leisten. (2) Die Stadt/Gemeinde beauftragt eine zentrale Stelle als Ansprechpartnerin, bei der die Anträge nach Absatz 1 gestellt werden können. Die Stadt/Gemeinde gibt öffentlich bekannt, insbesondere auf ihrer Internetseite, zu welchen Zei- ten und wie diese Ansprechpartnerin erreicht werden kann. Außer bei dieser Ansprechpartnerin können die Anträge direkt bei der Stelle gestellt werden, bei der die begehrten Informationen vorhanden sind. Wird ein Antrag bei ei- ner Stelle der Stadt/Gemeinde gestellt, die über die Informationen nicht ver- fügt, so hat diese die Stelle zu ermitteln, die über die Informationen verfügt, an diese den Antrag weiterzuleiten und die Antragstellerin oder den Antragstel- ler darüber zu informieren. (3) Informationen im Sinne dieser Satzung sind alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form oder auf sonstigen Informationsträgern bei der Stadt/Gemeinde vor- handenen Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises. (4) Wenn der Antragstellerin oder dem Antragsteller Akteneinsicht gewährt wird, stellt die Stadt/Gemeinde ausreichende zeitliche, sachliche und räumliche Möglichkeiten dafür zur Verfügung und gestattet die Anfertigung von Notizen. (5) Die Stadt/Gemeinde stellt auf Antrag Kopien der Informationsträger, die die begehrten Informationen enthalten, auch durch Versendung zur Verfügung. (6) Die Stadt/Gemeinde kann auf eine Veröffentlichung insbesondere im Inter- net verweisen, wenn sie der Antragstellerin oder dem Antragsteller die Fund- stelle angibt.

23 § 4 Erledigung des Antrages (1) Die Stadt/Gemeinde macht die begehrten Informationen unverzüglich, spätes- tens aber innerhalb von zwei Wochen zugänglich. (2) Die Ablehnung eines Antrags oder die Beschränkung des begehrten Zugangs zu Informationen ist innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist schriftlich zu er- teilen und zu begründen. Wurde der Antrag mündlich gestellt, gilt Satz 1 nur auf ausdrückliches Verlangen der Antragstellerin oder des Antragstellers. (3) Soweit Umfang und Komplexität der begehrten Informationen dies rechtferti- gen, kann die Frist des Absatzes 1 auf einen Monat verlängert werden. Die Antrag- stellerin oder der Antragsteller ist über die Fristverlängerung und deren Gründe schriftlich zu informieren.

§ 5 Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung Der Antrag auf Zugang zu Informationen ist insbesondere abzulehnen, soweit und solange 1. die Preisgabe der Informationen dem Wohl des Bundes, des Lan- des oder der Stadt/Gemeinde Nachteile bereiten würde. 2. die begehrten Informationen nach einem Gesetz geheim gehalten werden müssen, 3. durch die Bekanntgabe der Informationen der Verfahrensablauf eines an- hängigen Gerichtsverfahrens, eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder Disziplinarverfahrens erheblich beeinträchtigt würde, oder 4. die Bekanntga- be der Informationen den Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gefährden würde.

§ 6 Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses (1) Der Antrag auf den Zugang zu Informationen ist abzulehnen für Entwürfe zu Entscheidungen, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung vereitelt würde. (2) Geheim zu halten sind Protokolle vertraulicher Beratungen. (3) Informationen, die nach Absatz 1 und 2 vorenthalten worden sind, sind jedoch spätestens und unverzüglich nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugäng- lich zu machen. Dies gilt bei vertraulichen Beratungen nur für Ergebnisprotokolle.

§ 7 Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (1) Der Antrag auf Zugang zu Informationen kann abgelehnt werden, soweit durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheim- nis offenbart wird und die schutzwürdigen Belange der oder des Betroffenen das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit erheblich überwiegen.

24 Informationsfreiheit in Bayern. (2) Soll Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewährt werden, so hat die Stadt/Gemeinde der oder dem Betroffenen vorher Gelegenheit zur Stellung- nahme zu geben. Die Stadt/Kommune ist bei ihrer Entscheidung über den Infor- mationszugang an diese Stellungnahme nicht gebunden.

§ 8 Schutz personenbezogener Daten (1) Der Antrag ist abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Informati- on personenbezogene Informationen offenbart werden, es sei denn,

  1. die oder der Betroffene willigt ein;
  2. die Offenbarung ist durch Rechtsvorschrift erlaubt;
  3. die Offenbarung ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Allgemein- wohl oder von Gefahren für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder sons- tiger schwerwiegender Beeinträchtigungen der Rechte Einzelner geboten;
  4. die Einholung der Einwilligung der betroffenen Person ist nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich und es offensichtlich ist, dass die Of- fenbarung im Interesse der Person liegt;
  5. die Antragstellerin oder der Antragsteller macht ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Information geltend und überwiegend schutzwür- dige Belange der oder des Betroffenen oder Dritter stehen der Offenbarung nicht entgegen. (2) Dem Antrag soll in der Regel stattgegeben werden, soweit sich die Angaben auf Namen, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Bü- roanschrift und Bürorufnummer beschränken und
  6. die betroffene Person in amtlicher Funktion an dem jeweiligen Vorgang mit- gewirkt hat oder
  7. die betroffene Person als Gutachterin oder Gutachter, Sachverständige oder Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in einem Verfahren abgegeben hat, es sei denn, der Offenbarung stehen im Einzelfall schutzwürdige Belange der betreffenden Person entgegenstehen.

§ 9 Trennungsprinzip Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments der Schutzbestimmung der §§ 5 bis 8 unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments der Antragstellerin oder dem Antragsteller zugänglich gemacht.

§ 10 Städtische/gemeindliche Informationsfreiheitsbeautragte (1) Die Stadt/Gemeinde ernennt eine städtische/gemeindliche Informationsfrei- heitsbeauftragte oder einen Informationsfreiheitsbeauftragten, an die sich alle

25 Personen wenden können, die der Ansicht sind, dass die ihnen von dieser Satzung gewährten Rechte nicht oder nicht vollständig beachtet worden sind. (2) Die oder der Informationsfreiheitsbeauftragte soll diese Rechte durchsetzen. Sie oder er hat das Recht, zur vollständigen Einsicht in die Unterlagen und das Recht, sich direkt an die Oberbürgermeisterin/erste Bürgermeisterin oder an den Oberbürgermeister/ersten Bürgermeister zu wenden. Sie oder er darf über die Art und Weise der Umsetzung dieser Satzung und über die Schwierigkeiten einen Be- richt veröffentlichen. Wenn es in der Stadt/Gemeinde eine Datenschutzbeauftragte oder einen Daten- schutzbeauftragten gibt, soll diese mit dieser Aufgabe betraut werden.

§ 11 Verhältnis zu anderen Informationszugangsrechten Rechtsvorschriften, die einen weitergehenden Zugang zu Informationen er- möglichen oder ihre Grundlage in besonderen Rechtsverhältnissen haben, bleiben unberührt.

§ 12 Kosten Mündlich oder telefonisch erteilte sowie einfache schriftliche Auskünfte sind kostenfrei. Für weitergehende Auskünfte sind die Gebühren so zu bemessen, dass zwischen Verwaltungsaufwand einerseits und dem Recht auf Aktenein- sicht andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht. Die Gebührensätze richten sich nach dem bestehenden Kostenverzeichnis und sollen nicht höher sein als einhundert Euro. Über die Höhe der Gebühren ist die Antragstellerin oder der Antragsteller vorab zu informieren.

§ 13 Inkrafttreten Diese Satzung tritt am ... in Kraft.

26 Informationsfreiheit in Bayern. Was ist der eigene Wirkungskreis der Gemeinde? Das Grundgesetz und die bayerische Verfassung garantieren den Gemeinden das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Im eigenen Wirkungskreis erledigen die Gemeinden Selbstverwaltungsangelegenheiten im engeren Sinn. Zu diesem Kernbereich gehören u.a. die:

Planungshoheit: Die Gemeinde bestimmt den Rahmen, die Art und das Maß der Bebaubarkeit ihres Ortsgebietes, indem sie Flächennutzungs- und Bebauung- spläne aufstellt.

Finanzhoheit: Die Gemeinde kann ihr Finanzwesen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen selbst regeln.

Organisationshoheit: Die Gemeinde kann frei über die innere Organisation ihrer Verwaltung bestimmen.

Rechtssetzungsbefugnis: Die Gemeinde kann Satzungen erlassen.

Eigener Wirkungskreis Übertragener Wirkungskreis

• Abwasserbeseitigung • Hilfe bei Verwaltungsverfahren • Aufstellung des Haushaltsplans • Mitwirkung bei allen Wahlen (Bundes- • Bau, Unterhalt der Gemeindestraßen tags-, Landtags-, Kommunalwahlen) • Bürgerversammlung • Standesamtswesen • Einstellung des notwendigen Personals • Vollzug des Melderechts • Erlass der Geschäftsordnung • Ausstellung von Pässen, • Feuerwehrwesen Personalausweisen • Friedhofswesen • Mitwirkung bei statistischen • Obdachlosenunterbringung Erhebungen • Sachaufwandsträger für die • Erlass von Verordnungen Volksschulen • Sperrzeitregelungen • Schuldenverwaltung • Erfassung der Wehrpflichtigen • Schülerbeförderung • Ausstellung von Leichenpässen • Wasserversorgung • Vorbehandlung der Bauanträge • Bücherei (freiwillig) • Erteilung von Fischereischeinen • Herausgabe eines Amtsblattes (freiwillig) • Entscheidung über Gastschulanträge • Jugendzentrum (freiwillig) • Ausstellung von Lohnsteuerkarten

27 Auch Landkreise können eine Informationsfreiheits-Satzung erlassen In diesem Fall handelt es sich nicht um ein Gläsernes Rathaus, sondern um ein Gläsernes Landratsamt. »Wir empfehlen auch dafür unseren Text-Vorschlag einer Informationsfreiheits-Satzung (Seite 20 ff), in dem nur das Begriffspaar »Stadt/Gemeinde« durch »Landkreis« ersetzt werden muss.«

Was ist der eigene Wirkungskreis eines Landkreises? Das Landratsamt ist eine »Doppelbehörde«, die Kreis- und zugleich Staatsaufgaben erledigt und damit staatliche Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung zugleich verkörpert. Das Informationsrecht gemäß einer Informationsfreiheits-Satzung kann sich nur auf die Kreis-Angelegenheiten beziehen.

Laut Landkreisordnung sind Als untere staatliche die Landkreise im eigenen Verwaltungsbehörde Wirkungskreis zuständig für (Staatliches Landratsamt) bezieht sich die Zuständigkeit unter anderem auf

• Abfallwirtschaft • Ausländerwesen • Feuersicherheit • Bauaufsicht • Gesundheitswesen (Krankenhäuser) • Denkmalschutz • Schulwesen (Weiterführende Schulen) • Führerscheine und Kraftfahrzeug- • Sozial- und Jugendhilfe Zulassung • Straßenverwaltung (Kreisstraßen) • Gaststätten- und Gewerberecht • Trinkwasserversorgung • Immissionsschutz • Heimaufsicht • Kindergartenaufsicht • Lebensmittelüberwachung • Rechtsaufsicht über Gemeinden • Straßenverkehrswesen • Verbraucherschutz • Wasserrecht • Wohnungsbauförderung

28 Informationsfreiheit in Bayern. Kein Zweifel: Informationsfreiheits-Satzungen sind rechtlich zulässig! »Der Parzefall« (Handbuch Kommunales Ortsrecht) bringt in seiner aktualisier- ten Ausgabe vom Mai 2011 unsere Modellsatzung. In einer älteren Fassung des Handbuchs wurde die Idee einer IFS noch verworfen, was einigen Kommunen dann als Ablehnungsgrund für einen IFS-Antrag diente. Jetzt heißt es: »Die 38. Er- gänzungslieferung enthält eine komplett aktualisierte Einführung zur Informa- tionsfreiheitssatzung inkl. eines Satzungsvorschlags einer Bürgerinitiative sowie ein an die Satzung der Landeshauptstadt München angelehntes Satzungsmus- ter, welches aufgrund der knapperen und kompakteren Formulierungen besser handhabbar ist.« (Parzefall/Ecker/Katzer: Kommunales Ortsrecht, Handbuch für die Gestaltung von Satzungen und Verordnungen, mit Mustern und Erläuterun- gen, 38. Aktualisierung, 1. Mai 2011, Verlagsgruppe Wolters Kluwer Deutschland GmbH)

Das geltende Verwaltungsverfahrensrecht steht dem Erlass einer Informations- freiheits-Satzung nicht entgegen. Die Vorschrift des Art. 29 BayVwVfG normiert ein Akteneinsichtsrecht von Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass über das Akteneinsichtsrecht des Art. 29 BayVwVfG hinaus Behörden jedem (d.h. nicht nur Beteiligten des Verwaltungsverfahrens) im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens Akteneinsicht gewähren können (vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 29 Rn. 8 m. w. N.).

Ebenso ist anerkannt, dass es den Gemeinden unbenommen ist, »aus ihren Akten Auskunft zu erteilen, wenn weder ein öffentliches noch ein von der Rechtsord- nung geschütztes privates Interesse an der Geheimhaltung des Akteninhalts be- steht« (vgl. Widtmann/Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Mai 2005, Exkurs Art. 56 Rn. 18).

An der Rechtmäßigkeit von Informationsfreiheits-Satzungen besteht inzwischen kein Zweifel mehr. Die gemeindliche Befugnis zum Erlass der Informationsfrei- heits-Satzung resultiert direkt aus Art. 23 S. 1 BayGO. Danach können die Ge- meinden zur Regelung ihrer Angelegenheiten Satzungen erlassen. Die Informa- tionsfreiheits-Satzung umfasst ausdrücklich nur Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde. Letztendlich basiert die Kompetenz zum Erlass

29 der Informationsfreiheits-Satzung somit auf dem verfassungsrechtlich garan- tierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht gem. Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 10 BV.

Mit Schreiben vom 10.2.2006, AZ 12-1428.237-4 (abgedruckt in: Fundestelle 2006 Rdnr.227) hat die Regierung von Niederbayern klargestellt, dass der Erlass einer Informationsfreiheits-Satzung durch eine Kommune grundsätzlich möglich ist.

Auch der Oberregierungsrat im Bayerischen Innenministerium Hans-Dieter La- ser hat in einem Aufsatz bestätigt, dass der Erlass einer Informationsfreiheits- Satzung im eigenen Wirkungskreis grundsätzlich möglich ist (KommunalPraxis BY Nr. 4 / 2006, Seite 126-127).

Groß im Kommen: Bayerische Kommunen mit Informationsfreiheit Eine Reihe von Kommunen in Bayern haben seit 2009 eine Informationsfrei- heits-Satzung erlassen. Darunter auch die folgenden fünf Großstädte in Bayern:

– Stadt Würzburg (seit dem 1. Januar 2011) – Stadt Ingolstadt (seit dem 1. März 2011) – Landeshauptstadt München (seit dem 1. April 2011) – Stadt Regensburg (seit dem 1. Mai 2011) – Stadt Nürnberg (ab dem 1. September 2011)

Den aktuellen Stand aller Städte und Gemeinden mit einer Informationsfrei- heits-Satzung finden Sie auf www.informationsfreiheit.org/ubersicht.

»Inzwischen haben rund 25 Prozent der Einwohner Bayerns durch kommunale Satzungen ein Informations- und Auskunftsrecht.«

30 Informationsfreiheit in Bayern. Stichwort »Offenes Regierungshandeln«: Neue Generation von Informationsfreiheits­ gesetzen – Opposition in Bayern startet Transparenz­initiative

In jüngster Zeit ist eine zunehmende Öffnung von Staat und Verwaltung (Open Government) zu beobachten, stellt die Gesellschaft für Informatik e.V. in einem Me- morandum vom Oktober 2012 fest. Dies gilt zumindest international: Über 57 Staaten beteiligen sich bereits an der Regierungsinitiative der USA und Brasiliens für eine in- ternationale Open Government Partnerschaft (http://www.opengovpartnership.org). Die Bundesregierung zögert dagegen noch mitzumachen. Zwar wurde im Dezember 2010 auf dem Nationalen IT-Gipfel der Aufbau einer zentral zugänglichen Open-Data- Plattform von Bund und Ländern verabredet, die 2013 online gehen soll. Doch ob das entsprechende Gesetz zum E-Government eine Offenlegungspflicht für Informatio- nen der Öffentlichen Verwaltung vorschreiben wird, ist zu bezweifeln.

Dieter Kempf, Präsident des deutschen IT-Branchenverbands BITKOM, kritisiert des- halb, dass in Deutschland zwar E-Government gepredigt werde, aber bei der Umset- zung die Zauderer und Bedenkenträger zum Zug kämen (Bayerische Staatszeitung vom 13.7.2012).

Der IT-Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Finanzstaatssekretär Franz Pschierer, übernimmt 2013 den Vorsitz im IT-Planungsrat auf Bundesebene. Er kün- digte im Münchner Merkur (16.10.2012) zur bayerischen Digitalisierungs-Strategie an: »Wir wollen in Bayern bundesweit der Vorreiter sein.«

Die Bayerische Staatsregierung wird sich an diesen Worten messen lassen müssen. Denn die »Zauderer und Bedenkenträger« sind auch und gerade beim Koalitionspart­ ner CSU und im Freistaat Bayern zu vermuten. Bernhard Wegener, Professor für Öf­fent­ liches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, stellt fest, dass die Verwaltung in Bayern sich bislang erfolgreich gegen ein Informationsfreiheitsgesetz wehren konnte; jedoch: »Ich glaube, dass sich für die CSU ihr Umgang mit der Informationsfreiheit rä- chen wird. [...] Nicht ohne Grund hat die CSU ihre absolute Mehrheit verloren.« (Bayeri- sche Staatszeitung vom 28.9.2012)

31 Bei neuesten Entwicklungen geht jedenfalls zunächst Hamburg voran. Dort ist seit Oktober 2012 ein Transparenzgesetz in Kraft, das das bisherige Informationsfreiheits- gesetz ablöst und den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen erweitert. Ent- scheidender Punkt: Die Verwaltung wird verpflichtet, aktiv Informationen zu veröf- fentlichen, die von öffentlichem Interesse sind. Dazu gehören zum Beispiel Verträge der Daseinsvorsorge, von der Verwaltung in Auftrag gegebenen Gutachten und Stu- dien, Subventions- und Zuwendungsvergaben sowie die jährlichen Vergütungen und Nebenleistungen der Führungsebene städtischer Beteiligungen. Die Informationen werden leicht zugänglich über ein Informationsregister in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.

Ein solches Gesetz soll es nach unserer Auffassung künftig auch in Bayern geben.

Deshalb unterstützt das »Bündnis Informationsfreiheit für Bayern« die Transparenz- initiative, mit der ein solches Transparenzgesetz auf den Weg gebracht werden soll. Wie ein solches Gesetz aussehen könnte, dazu können ab sofort alle Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Parteien etwas beitragen. Jeder zu dem Gesetz Ideen einbrin- gen, am Gesetzestext mitformulieren oder über Sinn und Ausgestaltung einzelner gesetzlicher Regelungen diskutieren: www.bayerntransparent.de

Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag hat aktuell (Oktober 2012) den Entwurf für ein Bayerisches Transparenz- und Informationsgesetz (BayTIFG) vorgelegt (Landtags- Drucksache 16/13874)

Im November 2012 führte die Bayerische Staatszeitung eine Online-Um- frage durch und kam zu dem Ergebnis: 78 Prozent der BSZ-Leser sprechen sich für mehr Möglichkeiten zur Akteneinsicht für die Bürger und dafür aus, ein Informationsfreiheitsgesetz in Bayern einzuführen. Eine deutli- che Aufforderung zum Handeln an die Bayerische Staatsregierung!

32 Informationsfreiheit in Bayern. Impr es s um

Herausgeber Wolfgang Killinger Dr. Heike Mayer

Bündnis Informationsfreiheit für Bayern Sedanstraße 25, 81667 München Telefon: 08071-5975120 www.informationsfreiheit.org ifg-bayern@mehr-demokratie.de

Gestaltung Sailer Grafische Gestaltung www.barbarasailer.de »Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.«

Immanuel Kant, »Zum ewigen Frieden« (1795)